Daten, Informationen, Wissen: In unserer komplexen Welt sind wir Sender:innen, Empfänger:innen und manchmal die Ressource selbst. 20blue schaut aus drei Blickwinkeln auf die Bedeutungen von Informationen und unsere Arten und Wege, wie wir uns informieren.
Digital informieren
Informations- und Kommunikationstechnologien dringen in all unsere Lebensbereiche. Täglich navigieren wir zwischen seriösen Quellen, Memes und Fake News. Was bedeutet das für unser (analoges) Zusammenleben?
Informations- und Kommunikationstechnologien dringen in all unsere Lebensbereiche. Bei dem, was wir wissen (können) und lernen, spielen sie eine entscheidende Rolle. Die Digitalisierung revolutioniert dabei unseren Zugang zu Informationen und stellt uns vor Fragen, die tatsächlich gar nicht so neu sind: Welchen Quellen können wir vertrauen? Woher stammen Informationen und wer prüft, liest und verbreitet sie? Was im vergangenen Jahrhundert hauptsächlich analog stattfand, hat durch heutige technologische Innovationen rasant an Geschwindigkeit gewonnen: Zwar spielen traditionelle Informationsmedien wie TV, Radio und Zeitungen weiterhin eine Rolle, aber Onlineangebote sind auf dem Vormarsch – und bedrohen die Existenz vieler Medien, die nicht schnell genug auf den digitalen Zug aufspringen.
Wenn wir uns mit Informationen beschäftigen oder auf der Suche nach ihnen sind, spielt die Frage nach der Objektivität eine besondere Rolle. Sie ist eng mit unserem Verständnis von Transparenz verknüpft. Wir wollen (und müssen in vielen Fällen) Informationen nachvollziehen können und ihre Herkunft hinterfragen, ganz im Sinne einer gelungenen Medienkompetenz. Das World Wide Web bietet dafür optimale Möglichkeiten — eigentlich. Denn gleichzeitig stellt es die Infrastruktur für Fake News und Informationsblasen bereit, in denen bestimmte Frames, Diskurse und Kontexte vorherrschen. Aber welche sind das, wo und warum?
Jeder Kanal, über den wir Informationen beziehen, ist auf seine Art speziell und entwickelt neben einer eigenen Wissens- und Informationskultur zusätzliche soziale oder pädagogische Dimensionen. Anders ausgedrückt und weitergedacht: Informationen sind der Schlüssel zu Bildung, die Basis für Lebenswege, Chancen und Selbstverwirklichung. Die Omnipräsenz und permanente Zugänglichkeit von Informationen hat dabei oft eine demokratische Wirkung. Wissen ist nicht mehr unmittelbar vom persönlichen Umfeld abhängig sondern viel mehr vom Zugang zu Technologien. In den Startlöchern dabei: Augmented Learning. Hier passt sich die Umwelt an die Lernenden an — und nicht etwa andersherum. Bringen wir so Lernerfahrungen auf neue Weise voran? Welche Wirkungen haben Informations- und Bildungstechnologien wie diese auf unsere Blickweise auf Bildungskonzepte und -systeme? Während viele Entwicklungen vielversprechend klingen, sind dabei auch Rückschläge zu verzeichnen: Denn wenn kein gesellschaftlich gerechter Zugang zu Informationstechnologien besteht, verläuft die Ungleichheit entlang dieser Grenze und schließt die einen ein — und die anderen aus. Studien zeigen, dass sich bestimmte Formen der Ungleichheit so durch digitalen Wandel zu verstärken drohen. In der Gesellschaft entstehen digitale Informationskluften. Wie lassen sich diese wieder schließen?
Ein weiterer Effekt unserer digitalen Informationsbeschaffung: Wir werden selbst zur Information. Die Spuren, die wir auf der Suche nach Antworten im Internet hinterlassen, werden für Unternehmen zur Ware. Wir entwickeln nicht nur selbst digitale Identitäten auf Social Media und Networking-Plattformen, sondern werden mithilfe von Big-Data-Analysen als solche kategorisiert. Oft nicht zu unserem eigenen Vorteil, sondern für den Profit von Firmen, die wir vielleicht gar nicht kennen. Datenschutzregelungen sollen hier Abhilfe schaffen — eine Frage, die dabei vielen dennoch auf der Seele brennt: Wie gehen wir mit dem Wissen darüber um, zu gläsernen Bürger:innen zu werden? Auf dem Weg in eine neue Ära der Wissensgesellschaft oder der viel beschworenen Industrie 4.0 braucht es kluge Antworten auf komplexe Fragen, die nicht nur unser digitales Leben beeinflussen, sondern Implikationen haben für unser Zusammenleben — ganz analog.
Nachhaltig informieren
Informationen zeigen Wirkung. Aber wie müssen Informationen aussehen, damit sie in unseren Köpfen hängen bleiben?
Unser Mediensystem befindet sich im Umbruch. Überall auf der Welt schließen Zeitungen ihre Türen oder sehen sich gezwungen auf Digital First umzustellen, und revolutionieren so unseren Zugang zu Informationen. Aber wie nachhaltig ist das? Diktiert von dem erodierenden Werbemarkt sind viele Medienhäuser in der Zwickmühle. Und was wollen die Leser:innen? Am liebsten wenig bezahlen – dennoch scheint sich aktuell eine gelebte und akzeptierte Bezahlkultur im Netz zu entwickeln. Neben klassischen Paid-Content-Modellen wie harten Paywalls, Metered Models, Freemium- und Spenden-Angeboten treten ständig neue Ansätze wie Crowdfunding, Förderungen oder Stiftungen auf den Plan mit dem Ziel, ihre Leser:innen zuverlässig und nachhaltig mit Informationen zu versorgen. So hat sich das Katapult-Magazin, gegründet beinah inmitten des Zeitungssterbens, einen Namen gemacht — und setzt fast ausschließlich auf Print.
Bei den vielen Versuchen und Ideen, ein nachhaltiges Modell für Journalismus zu entwickeln, geht es dabei häufig um mehr als nur Geld. Jedes Modell hat auch seine ganz eigene Signalwirkung, was die Wertigkeit und die Ideale von Journalismus und von Informationen angeht. Begreifen wir Nachhaltigkeit als Thema an sich, stellen sich andere Fragen, nicht nur für den Journalismus. Wie lässt sich Nachhaltigkeit kommunizieren? Fest steht: Sustainability-PR sollte kein Selbstzweck sein. Aber wann ist nachhaltige PR authentisch, wann geht es nur um den guten Ruf und wann haben wir es mit Greenwashing zu tun? Schließlich darf das Mantra „Tue Gutes und rede darüber” nicht bei bloßer Rhetorik bleiben, sondern muss sich mit der Realität decken. Häufig geht es um komplexe Strategien statt um Einzelmaßnahmen, die oftmals schon per Definition keine nachhaltige Wirkung entfalten können. Aber was bedeutet das konkret? Und wie lassen sich Informationen in diesem Sinne endkund:innengerecht gestalten?
Informationen aus dem Elfenbeinturm sind nirgendwo gern gesehen und werden entsprechend auch kaum verstanden. Ein Problem, vor dem die Wissenschaft regelmäßig steht — und mit dem wir während der Corona-Pandemie beinah täglich konfrontiert sind. Wie fließen wissenschaftliche Informationen und Erkenntnisse in die Öffentlichkeit und wieder zurück? Welche Rolle spielt Bildung dabei? Ein weiteres drängendes Thema, das in dieser Hinsicht nicht an Aufmerksamkeit verlieren darf, ist die drohende Klimakrise. So werden gerade hier Stimmen laut, die unsere vermeintliche (?) Wissensgesellschaft als Heilsbringerin anpreisen, um die Katastrophe zu bewältigen. Aber was braucht es dazu auf kommunikativer und informativer Ebene?
Divers informieren
Informations- und Meinungsfreiheit ist die Basis für gesellschaftliche Teilhabe. Aber wer spricht hier für wen? Und geht das überhaupt?
Wie wir uns Wissen aneignen, hängt von einer Menge unterschiedlicher Faktoren ab. Ein extrem ausschlaggebender dabei: der Zugang zu Bildungsmöglichkeiten. Verschiedene Ausgangsbedingungen prägen unseren Wissenserwerb und entscheiden nicht selten darüber, welchen Lebensweg wir beruflich und als Menschen einschlagen. Während es die Kinder von Akademiker:innen selbst in Deutschland häufig leichter an Schulen und Universitäten haben, ist der Zugang zu Bildung weltweit noch deutlich ungleicher verteilt. Bei all dem lässt sich nicht ignorieren, dass Informationen Wegbereiter sein können für Lebenschancen — und ihr Fehlen gleichzeitig Gräben schaffen kann, Ziele zu verwirklichen oder diese überhaupt erst als solche wahrzunehmen. Neben diversen gesellschaftlichen Kontexten, die auf individueller Ebene ihre Wirkung entfalten, spielt dennoch nicht nur der Zugang zu Informationen (und Informationstechnologien) eine Rolle, sondern auch das, was am Ende steht: Welche Informationen stammen woher und von wem? Quellendiversität und die Fähigkeit, die Realität multiperspektivisch zu betrachten, erweitert Horizonte und bietet die Möglichkeit, gesellschaftliche Spannungen und Spaltungen zu überwinden. Auch hier lässt sich wieder der Journalismus anführen. Denn: Diversität im Newsroom erhöht die Qualität der Berichterstattung und beugt blinden Flecken vor, wenn verschiedene Hintergründe und Blickwinkel schon in der Medienproduktion Beachtung finden. Die Aufgabe der Informationsselektion im Journalismus bietet die Chance, mit gängigen Narrativen zu brechen. Während die positiven Folgen einer solchen Herangehensweise schnell ins Auge fallen, stellt sich gleichzeitig die Frage nach den Ausgangsbedingungen der Informationsverbreitung: Wir reduzieren Komplexität, um Überforderung entgegen zu wirken. Dieses Phänomen gilt in der Forschung als ein typisches Merkmal der Informationsgesellschaft und ist unter Anderem dem hohen zeitlichen und finanziellen Druck geschuldet, dem viele Medien unterliegen. Das Problem dabei: Einfache Antworten auf komplexe Fragen blenden häufig zu viel aus. Wohlwollend formuliert heißt das, Sender:innen wollen nicht, dass Rezipient:innen in der Flut der Informationen untergehen. Dabei lohnt es sich, sich vielfältig zu informieren und die Fragen zu stellen, die jede Veröffentlichung begleiten sollte: Wer spricht für wen? Und geht das überhaupt? Weniger wohlwollend ließe sich gerade in der Kommunikationsweise politischer Figuren und Personen von populistischen Intentionen sprechen. Auf kaum eine Frage gibt es nur eine und zudem simple Antwort. Unsere Art zu kommunizieren lässt sich so auch als kommunikative Haltung betrachten. Die Frames, die wir benutzen, und die Diskurse, die wir bedienen, sagen in vielerlei Hinsicht etwas über unsere Sichtweisen aus und konstruieren gleichzeitig einen Teil der Realität. Diversity Communication ist so in manchen Bereichen zum Schlagwort geworden. Wie können wir als Sender:innen Diversität mitdenken? Es geht darum, Stimmen, die in unserer Gesellschaft in vielerlei Hinsicht ignoriert werden, eine Plattform zu bieten und ein Bewusstsein für ihre Marginalisierung zu schaffen. Was theoretisch schon in manche Kommunikationsstrategie eingeflossen ist, lässt sich dennoch häufig als Doing Difference beobachten: Othering durch Sprache, Stereotype und Vorurteile, die sich in den Informationen, die wir aufnehmen und konsumieren, fortsetzen. Auf diese Art werden (bestimmte) Menschen erreicht, eingeschlossen und angesprochen — andere nicht. Dabei gilt es, diese Mechanismen zu hinterfragen: Wie können wir Informationen divers gestalten und trotzdem der Überforderung entgehen? Was brauchen wir für einen gesellschaftlichen Dialog auf Augenhöhe im Sinne unseres Diversitätsanspruchs? Welche Bildungsvoraussetzungen und welche Infrastrukturen müssen geschaffen werden, um einen gerechten Zugang zu vielfältigen Informationen zu gewährleisten?