Multisensory Enhancement: Wie viele Sinne braucht gute Werbung?

Michael Heubeck , 17.05.2016

Werbebotschaften zum Miterleben? Wie kommen Emotionen und Informationen am besten beim Verbraucher an? Der Marketing-Manager Michael Heubeck rät zum Multisensory Enhancement. Hier stellt er seine jüngste Studie vor.

Produzenten von Werbekampagnen setzen nach wie vor meist auf Bild und Ton, um Emotionen und Informationen an Konsumenten zu bringen. Doch Reizüberflutung und Massenbeschallung haben die Verbraucher abgehärtet, wenn nicht abgestumpft gegen solcherart Ansprache. Sie sehen Werbebotschaften aus Bild und Ton gleichgültiger.

Einen Ausweg aus dieser für Werbetreibende misslichen Situation könnte das Multisensory Enhancement sein – die multisensorische Verstärkung. Der Grundgedanke: Je mehr Sinne eine Botschaft anspricht, umso tiefer verankert sie sich im Bewusstsein. Wird ein Neuron, also eine Nervenzelle, durch einen Sinneseindruck gereizt, verstärkt sich die neuronale Reaktion, wenn simultan ein weiterer Reiz durch einen anderen Sinn hinzukommt. Diese Ansprache mehrerer Sinne führt außerdem zu einer schnelleren Reaktion. Damit es jedoch zu dieser Verstärkung kommt, müssen beide Eindrücke fast simultan erfolgen und dürfen inhaltlich nicht zu verschieden sein, um nicht als Störsignal herausgefiltert zu werden.

Studien haben gezeigt, dass Werbung heute weniger begeistert, wenn sie nicht auch Interaktionsbedürfnisse bedient, so wie es bislang eben die meisten Werbebotschaften aus Bild und Ton nicht tun. Da aber das Geruchs- und das Anfassfernsehen noch nicht erfunden sind und das Mitmachfernsehen noch in den Kinderschuhen steckt, scheint Multisensory Enhancement erst einmal nur eine schöne Welt von morgen zu sein.

Werbung zum Miterleben

Eine vorläufige Antwort könnte jedoch der Point-of-View-Shot (PoV-Shot) geben. Bei dieser Kameratechnik wird ein Spot aus der Perspektive einer Einzelperson gedreht und der Zuschauer mitten ins Geschehen transportiert – die Perspektive der Game-Generation. So könnte durch eine einfache Kameratechnik bereits eine höhere Wahrnehmung und stärkere Aktivierung erreicht werden, die den Konsumenten aus dem Grundrauschen herausholt.

Ist der gegebene Reiz stark genug und nachvollziehbar, könnten weitere Sinne erreicht werden. Auch wenn der Spot nur aus Bild und Ton besteht: Auch Tast- und Geschmackssinn können bei einer guten Umsetzung angeregt werden. So wie Musik (Ton) eine Gänsehaut und Bilder im Kopf erzeugen kann, könnte der gesuchte Verstärker-Effekt eintreten.

Zur Überprüfung habe ich mit Unterstützung der Hochschule Hof 2015 eine Studie zur elektrodermalen Reaktion von Zuschauern durchgeführt („Haptik in der Werbegestaltung – Eine empirische Studie auf Basis der elektrodermalen Reaktion bei Konsumenten“). Zwei zufällig eingeteilten Gruppen wurden unterschiedliche TV-Spots präsentiert, dabei wurde ihre elektrodermale Reaktionen (EDR) gemessen. Dies ist eine Methode, die den Erregungszustand von Testpersonen erfasst. Dazu werden zwei Elektroden an die Handinnenfläche angeschlossen. Da sich Erregungszustände durch Schweiß auf der Haut manifestieren und dessen Salzgehalt die Leitfähigkeit der Elektroden verändert, lässt sich eine aussagekräftige Messung durchführen. Mit Fragebogen wurden die Ergebnisse im Anschluss überprüft.

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Erregung stärkt Erinnerung

Die Auswertung ergab, dass eine Markendarstellung mit PoV-Einstellungen deren Beurteilung signifikant verbesserte – sogar bei Marken, die vorab von Testpersonen als eher langweilig, unglaubwürdig oder unmodern beschrieben worden waren.

Außerdem konnten die Zuschauer die Inhalte der Spots um ein Vielfaches besser wiedergeben als bei Spots mit normaler Kameraeinstellung. Auch konnten die PoV-Spots eine stärkere Aktivierung erzeugen, also den inneren Erregungszustand erhöhen.

Was bedeutet das für Werbetreibende? Die Marke muss ihre Zielgruppe sehr gut kennen, um die Bedürfnisse und Lebenssituationen einschätzen und abbilden zu können. Durch Techniken des Multisensory Enhancement wie dem PoV-Shot kann die Markenwahrnehmung verbessert, das Verbraucher-Interesse gesteigert und die Kaufbereitschaft erhöht werden. Außerdem können so auch wenig greifbare Produkte oder Informationen wie beispielsweise das Kreditangebot einer Bank so emotional und multisensorisch aufgeladen werden, dass man es spüren kann!

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