Wie New Work und Altern jetzt zusammengehören

Florian Kunze , 22.02.2017

Prof. Kunze thematisiert den demographischen Wandel in Unternehmen. Mit einer Studie untersucht er den Zusammenhang zwischen gefühltem Alter und Produktivität, welcher letztendlich auch bestätigt werden kann. Gefühltes Alter wird am Arbeitsplatz durch ein angenehmes Arbeitsumfeld und sinnvolle Aufgaben positiv beeinflusst.

Der demographische Wandel ist schon heute Realität in vielen Unternehmen; seine Bedeutung wird in der nächsten Dekade noch zunehmen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich allein in Deutschland die Erwerbsquote der 60- bis 65-jährigen Arbeitnehmer mehr als verdoppelt. Unternehmen sehen sich deshalb – und auch auf Grund des zunehmenden Fachkräftemangels – immer häufiger mit alternden Belegschaften konfrontiert. In der öffentlichen Debatte wird hierbei oft diskutiert, ob diese Alterung der Erwerbsbevölkerung eine Gefahr für die Innovationsfähigkeit und letztendlich auch für die Produktivität der Unternehmen darstellt. In meiner Forschungsgruppe an der Universität Konstanz beschäftigen wir uns im Rahmen breit angelegter Studien zum einen damit, ob diese spekulativen Annahmen tatsächlich der Realität entsprechen. Und zum anderen mit der Frage, wie in der Praxis Führungskräfte und Organisationen die Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiter dahingehend gestalten können, dass der demographische Wandel als Chance genutzt werden kann. Dabei sind wir auf einen zentralen und gleichzeitig wenig berücksichtigten Faktor gestoßen: das gefühlte Alter der Mitarbeiter.

Was ist das gefühlte Alter?

Jeder kennt wohl den geflügelten Satz: Man ist nur so alt, wie man sich fühlt. In der Tat zeigt auch die wissenschaftliche Forschung, dass das gefühlte Alter häufig deutlich von dem tatsächlichen, chronologischen Alter abweicht. In nahezu allen Ländern und Kulturkreisen findet hierbei eine Adaption hin zu einem gefühlt jüngeren Alter statt. Diese Abweichung wird mit höherem chronologischen Alter immer stärker, d.h. je älter man wird, desto mehr weichen gefühltes und chronologisches Alter voneinander ab. In der gerontologischen Forschung – also zu Personen mit einem Alter über 65 Jahre – konnte schon in einigen Studien gezeigt werden, dass das subjektive Alter einen entscheidenden Einfluss auf geistige und körperliche Fähigkeiten hat. So zeigte die Psychologin Ellen Langer in ihre „Counterclockwise“-Studie, dass bei Probanden, die sich durch eine Versuchsumgebung 20 Jahre jünger fühlten, sowohl die IQ-Leistung anstieg als auch sich zentrale physiologische Marker verbesserten (z. B. die Beweglichkeit der Finger).

Zu den Zusammenhängen zwischen gefühltem Alter und Produktivität am Arbeitsplatz gibt es im Gegensatz zu dieser Forschung mit älteren Probanden bisher nur wenig empirische Untersuchungen.

Frage zum Thema?

Sie haben eine Frage oder ein Problem in diesem Bereich oder bei einem ähnlichen Thema? Unsere Expert Community hilft gern!

Schreiben Sie uns an

Gefühltes Alter und Produktivität von Unternehmen

Dies war der Startpunkt zu unserer breit angelegten Studie in 107 klein- und mittelständischen Unternehmen mit einer Gesamtzahl von mehr als 15.000 Beschäftigten. Zunächst wurde den Studienteilnehmern nur eine einzige Frage gestellt, nämlich wie alt sich diese unabhängig von ihrem chronologischen Alter fühlten. Die zentralen Ergebnisse sind in Abbildung 1 dargestellt. Auch in unseren Daten wächst die Abweichung zwischen chronologischem und gefühltem Alter mit steigendem chronologischen Alter. Im Durchschnitt fühlen sich die Mitarbeiter mehr als fünf Jahre jünger als sie tatsächlich sind. Auch gibt es statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Interessanterweise traten in den Daten zudem große Unterschiede zwischen den einzelnen Firmen auf. In einigen Unternehmen fühlten sich die Mitarbeiter im Durchschnitt acht Monate jünger als ihr chronologisches Alter, wohingegen in anderen Betrieben die Mitarbeiter berichteten, sich über acht Jahre jünger zu fühlen. Mit Hilfe verschiedener statistischer Verfahren untersuchten wir einen möglichen Zusammenhang zwischen diesen Differenzen des gefühlten Alters der Beschäftigten und der Leistungsfähigkeit der Unternehmen, der sich auch bestätigte. Im Rahmen einer publizierten Studie konnten wir aufzeigen, dass sich in Unternehmen, in denen sich die Mitarbeiter jünger fühlen, die Leistung um durchschnittlich 9,5 Prozent höher ist als in solchen Firmen, in denen sich die Mitarbeiter älter fühlten. Interessanterweise war dies der Fall, obwohl wir den Einfluss des durchschnittlichen chronologischen Alters kontrollierten, das für sich allein in keinem Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit der Unternehmen stand.

Ausblick: Das gefühlte Alter in der Unternehmenspraxis managen

Für die Unternehmenspraxis bedeutet dies, dass in Zeiten des demographischen Wandels viel stärker auf das gefühlte Alter oder die Alterseinstellung der Mitarbeiter geachtet werden muss. Dies sind insofern positive Neuigkeiten für Unternehmen, als dass das gefühlte Alter im Gegensatz zum chronologischen Alter durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflussbar ist. In unserer Studie konnten wir zum Beispiel feststellen, dass in den Unternehmen, in denen die Mitarbeiter das Gefühl haben, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, das gefühlte Alter der Mitarbeiter deutlich niedriger ist und somit als Konsequenz daraus in diesen Unternehmen auch letztendlich die Produktivität ansteigt. Ebenso steht zu vermuten, dass sowohl gute Führung, geringe Altersdiskriminierung im Arbeitsumfeld als auch der wahrgenommene Stress die subjektive Alterswahrnehmung der Mitarbeiter prägen. Deshalb bieten sich Firmen und Führungskräften viele interessante Ansatzpunkte, wie sie durch gezieltes Verhalten und Maßnahmen die subjektive Alterseinstellung ihrer Mitarbeiter beeinflussen können und damit für ihr Unternehmen für Produktivität und Innovationsfähigkeit trotz der Herausforderung des demographischen Wandels sorgen.

Mehr Lesestoff

arbeiten
informieren
entfalten

Digital Fluency: die neue Mitarbeiterkompetenz

Digitale Technologien prägen unser Leben, unsere Kommunikation und auch unseren Arbeitsalltag. Nimirum-Experte Professor Florian Kunze forscht zum Thema Digital Fluency, der Kompetenz im Umgang mit Technologien, einem neuen Faktor für Unternehmen und Mitarbeitende.

Von Florian Kunze, 22.10.2018

arbeiten

Bei Nimirum hat die Zukunft der Arbeit schon begonnen

Das Expertennetzwerk von Nimirum arbeitet digital, global, schnell und agil. Man könnte meinen alleine das reicht schon um dem Konzept New Work gerecht zu werden. Doch es geht auch um die individuellen Arbeitsweisen, die letztendlich auf der Basis gemeinsamer Werte, durch Technologieeinsatz und ein angenehmes Umfeld unter der Corporate Identity zusammenfinden sollten. Anja Mutschler räsoniert.

Von Anja Mutschler, 18.02.2017

arbeiten

„Freiheit, nicht Überwachung!“ – Cornelia Daheim im Gespräch

Nimirum befragte im Rahmen seines Themenboosts mit Cornelia Daheim eine der weltweit führenden Zukunftsforscherinnen zu New Work im Hinblick auf Inklusion, und was das ihrer Meinung nach mit Freiheit und Überwachung zu tun hat.

Von Cornelia Daheim, 20.03.2017

arbeiten

Megatrend New Work – sind Sie vorbereitet?

Digitalisierung, Globalisierung und Vernetzung ermöglichen flexibles Arbeiten in neuer Qualität. Veränderte Rollenmuster (Stichwort Generation Y) erfordern neue Arbeitsmodelle, auf die betriebliche Strukturen zunehmend reagieren. Diese Megatrends werden unter dem Schlagwort „New Work“ diskutiert. Woher kommt dieses Konzept, was bedeutet es und was müssen Sie zu aktuellen Arbeitstrends wissen?

Von Katharina Schiederig, 17.02.2017

Keinen Beitrag mehr verpassen

In unseren regelmäßig erscheinenden Formaten präsentieren wir regelmäßig die spannendsten Inhalte und Insights von 20blue.

E-Mail-Einstellungen

Ihr direkter Kontakt zum 20blue-Team

Sie haben eine Frage oder möchten mit uns zusammenarbeiten? Dann kontaktieren Sie uns! Wir sind von 09:00 bis 17:00 Uhr für Sie erreichbar. Schriftliche Anfragen beantworten wir binnen 24 Stunden, oft auch schneller.

Ihr Kontakt zu uns