Was ist eine nachhaltige Verpackung? -
Ein Blick ins Whitepaper

20blue, 05.11.2020

Biokunststoff, bioabbaubar, biobasiert: Rund um das Thema Nachhaltigkeit kreisen Begriffe, bei denen oft gar nicht klar ist, was sie eigentlich meinen. Unser Blogartikel verschafft abhilfe.

Das Verständnis darüber, was die Nachhaltigkeit von Verpackungen wirklich ausmacht, geht weit auseinander. Selbst unter Branchenexpert:innen ist Nachhaltigkeit nicht immer klar definiert bzw. durch die jeweilige Branchenperspektive geprägt. Nach wie vor herrschen Unklarheiten darüber, was Verpackungen nachhaltig macht.  Welche Kriterien sollten in der Bewertung von Nachhaltigkeit Priorität haben? Dieser Frage geht die 2017 im Auftrag des Verpackungsverbundes Pro Carton entstandene Studie Die Bedeutung der Nachhaltigkeit von Verpackungen nach, die von Branchenexpert:innen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien durchgeführt wurde. Die befragten Expert:innen weisen hier der Recyclingfähigkeit bei weitem die höchste Priorität zu, wohingegen dem Einsatz erneuerbarer Materialien eine geringere Bedeutung zugesprochen wurde. Bei der Einschätzung spielten ohne Zweifel die jeweiligen logistischen und kostenrelevanten Erfahrungen in der eigenen Branche eine entscheidende Rolle.

Erhebungen unter Endkund:innen zeigen ein anderes Bild - oftmals bewerten Verbraucher:innen die „Nachhaltigkeit“ hier allein anhand der eingesetzten Materialien und setzen diese mit Kompostierbarkeit gleich.

Das Problem dabei - Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen oder vermeintlich kompostierbare Verpackungen sind nicht automatisch „nachhaltiger“ als ihre Pendants aus nicht-erneuerbaren Rohstoffquellen, wie Erdöl oder Erzen.

Vielmehr suggeriert z.B. der Begriff „Biokunststoff“ eine Umweltverbundenheit, die so nicht unbedingt gegeben ist. Der Begriff ist nicht geschützt. Ein breites und unklares Begriffsspektrum führt zu Verwirrung. Denn unter den Begriff „Biokunststoff“ fallen drei verschiedene Arten, die sich hinsichtlich der Kriterien „Bioabbaubarkeit“ und „Biobasiertheit“ unterscheiden. Inwiefern erklären wir im Folgenden.

Festzustellen ist zunächst, dass biologische Abbaubarkeit kein zwingendes Kriterium für einen Biokunststoff bedeutet, sondern lediglich eine spezielle Eigenschaft ist, die auch von einigen konventionellen, petrochemischen Kunststoffen erreicht wird. Beispielsweise sind die wasserlöslichen Folien um Spülmaschinentabs aus Polyvinylalkohol (PVAL) bioabbaubar und können daher problemlos über das Abwasser entsorgt werden. Aber der Rohstoff für diesen bioabbaubaren Kunststoff stammt aus Erdöl – und damit aus einer nicht erneuerbaren Quelle.

„Bioabbaubar“ heißt also nicht grundsätzlich, dass die Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen sein müssen oder unter „normalen“ Umständen kompostierbar wären. Mit anderen Worten: Diese Verpackungen sollten lieber nicht in der Biotonne landen.  Genauso wenig bedeutet „aus nachwachsenden Rohstoffen“, dass die so deklarierten Materialien in allen Fällen „bioabbaubar“ sind.

Es gibt aber auch Materialien, die beide Kriterien erfüllen, also sowohl „aus nachwachsenden Rohstoffen“ hergestellt, als auch „bioabbaubar“ sind.

Was tun gegen diese Verwirrung? Wie können wir unser Bauchgefühl und vermeintlich gutes Gewissen mit Fakten hinterlegen? Ein verbessertes Verständnis bietet die Grundlage für eine bessere praktische Orientierung auf diesem Feld. Dazu lohnt zunächst ein genauerer Blick auf den Begriff der „Nachhaltigkeit“.

Begriffswirrwarr - Welche Definition von Nachhaltigkeit bringt uns weiter?

Kaum ein Begriff wird in der politischen und medialen Öffentlichkeit aktuell so vielfältig, unscharf und widersprüchlich verwendet wie der Begriff der „Nachhaltigkeit“. Dabei hatte der aus der frühneuzeitlichen Forstwirtschaft stammende Begriff eine sehr klar umrissene Bedeutung: Er bezeichnete die Erhaltung von Waldflächen und Holzvorrat sowie eine gleichbleibende Höhe der Holzerträge und der Holzqualität. 

Erst die Übertragung dieses Konzeptes in die weitere Ökonomie – und dort durch das Ersetzen der Idee einer „sustainable yield“ durch ein „sustainable growth“  – sowie andere gesellschaftspolitische Bereiche, vor allem der Naturschutzpolitik mit ihrem Anspruch an eine „dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung“, führten zur heutigen Verunklarung und Widersprüchlichkeit. Auch die heute bekannteste und akzeptierteste Definition durch die Brundtland-Kommission der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) von 1992, wonach eine nachhaltige Entwicklung eine Entwicklung ist,  die „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ bietet keine eigentlichen Kriterien und Priorisierungen zur inhaltlichen Füllung und klaren Abgrenzung des Begriffes an. Typisch ist daher, dass die geläufigen Begriffsdefinitionen entweder sehr abstrakt bleiben („Zukunftsfähigkeit“, „dauerhaft umweltgerechte Entwicklung“) und zugleich nur für gesellschaftliche Teilbereiche entworfen wurden;  oder sie sprechen vor allem Handlungsbereiche an, wie das bekannte Dreieck aus der ökologischen, der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit. Aber: Selten wird verdeutlicht, was in diesen Bereichen eigentlich geschehen soll.

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Besinnen wir uns auf den ursprünglichen Begriff zurück, können wir den Grundgedanken wieder ins Zentrum rücken: Nachhaltigkeit beinhaltet zum einen die Schonung von Ressourcen und zum anderen deren mögliche Regeneration. Eine solchermaßen offene Definition von Nachhaltigkeit lässt es zu, diesen Grundansatz in angepasster Weise auf alle Systeme zu übertragen, die analog zur Ökologie gedacht werden können. Zum Beispiel: Konsumption.

Nachhaltige Systeme zeichnen sich in diesem Bereich dadurch aus, dass sie verbrauchte Einheiten aus sich selbst heraus regenerieren können. Konkret kann das heißen, dass der für die Nahrungsmittelgewinnung genutzte Boden nicht auslaugt und Abfallstoffe wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt werden können. Solche nachhaltigen Systeme des Konsums, die wiederum aus materiellen wie immateriellen Komponenten bestehen, wie Rohstoffen, Transportketten, Fertigungsprodukten, aber auch Organisations- und Kommunikationssystemen zwischen Herstellern, Handel und Kundschaft, müssen daher drei operative Ziele anstreben:

  1. Einen möglichst geringen Eingriff in den Naturhaushalt und damit auch einen möglichst geringen Energie- und Materialaufwand für die Herstellung und Verfügbarmachung von Ausgangsstoffen. (Vermeidung von Verbräuchen)
  2. Eine möglichst lange Dauer der gewonnenen oder hergestellten Produkte in der Verwendung und Nutzungssicherheit. (Qualität, Wiederverwendbarkeit)
  3. Die Sicherstellung der Regenerierbarkeit der im Produktionsprozess eingesetzten materiellen wie immateriellen Mittel, und die dadurch ermöglichte beliebige Wiederholbarkeit des Gesamtprozesses. (z.B. über Recycling oder Kompostierung gesicherte direkte oder indirekte Rückführung von Materialien in den Produktionsprozess)

Nachhaltigkeit im Produktionsprozess – von Anfang bis Ende (und wieder von vorn)

Ein solches Systemverständnis von Nachhaltigkeit entspricht damit schon automatisch einer Forderung nach einem Regelkreislauf, bzw. einer Kreislaufwirtschaft. Für die Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Verpackungen wären dann im Sinne eines solchen Regelkreislaufs die folgenden vier Bereiche genauer anzusprechen:  

  1. Die Gewinnung des Rohstoffes aus dem die Verpackung hergestellt werden soll (Sourcing)
  2. Die Verarbeitungsprozesse zur Umwandlung des Rohstoffes in das eigentliche Verpackungsmaterial
  3. Die Verwendungseffizienz und Funktionalität des Materials. Darin spielen auch Fragen der Logistik und des Transportes eine wichtige Rolle
  4. Die Entsorgungsbedingungen (end of life), wie thermische Entsorgung oder Kompostierung, bzw. das möglichst anzustrebende Recycling des Materials

Zu einem speziellen Sonderthema nachhaltiger Wirtschaftsweise im Lebensmittelbereich hat sich die oben angesprochene grundsätzliche Vermeidung von Verbräuchen entwickelt, vor allem mit Bezug auf nicht wiedergewinnbare Ressourcen wie Rohöl, aber auch Mineralien und Erze.

Im Lebensmittelbereich steht für diese Strategie der möglichst große Verzicht auf Verpackungen überhaupt, wie er z.B. im Bereich der „Unverpackt-Lösungen“ praktiziert wird. Für das vorliegende Whitepaper stellen die „Unverpackt Lösungen“ zwar zunächst nur ein Nebenthema dar, weil im konventionellen Konsumbereich Verpackungslösungen auf absehbare Zeit dominieren werden. Aber auch für dieses neue Feld stellen sich Fragen nach den besten Materialien und den Einsatzstrategien von Verpackungen.

Immernoch neugierig? Weitere Informationen finden Sie im Research Paper “AUSGEPACKT: Mythencheck nachhaltige Verpackungsmaterialien”.

Im März 2022 erscheint die dritte Auflage unseres Research Papers “AUSGEPACKT: Mythencheck nachhaltige Verpackungsmaterialien”. Tragen Sie sich jetzt in unsere Mailing-Liste speziell zum Thema Nachhaltigkeit ein, um keine Inhalte rund um den Launch zu verpassen.

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