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Business as usual? Nach Corona ist Diversity wichtiger denn je

Ein Beitrag von Simone Burel

Dr. Simone Burel ist promovierte Sprachwissenschaftlerin, Geschäftsführerin der LUB GmbH – Linguistische Unternehmensberatung, und Co-Founderin der diversity company.

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Veröffentlicht: 06.07.2021

Lesezeit: 4 Minuten

Letzte Änderung: 04.09.2023

Schlagworte:

  • #corona
  • #diversity
  • #expertennetzwerk

“Das letzte Jahr hat gezeigt, dass Unternehmen einen ausgearbeiteten Notfallplan brauchen, der kurzfristig aktiviert werden kann. Die Pandemie konnte nicht, oder nur von sehr wenigen Menschen, in ihrem Ausmaß vorhergesehen werden. Daher ist der wichtigste Ansatzpunkt dieses Notfallplans eine klar strukturierte Kommunikation. Doch dafür braucht es zuallererst das Vertrauen der Mitarbeiter*innen. Um dieses beizubehalten, oder erst zu schaffen, ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig, der die Erfahrungen des letzten Jahres in den Blick nimmt und aus ihnen lernt.” Ein Expert Statement von Dr. Simone Burel.

Es ist ruhiger um Corona geworden. In vielen Situationen scheint der Alltag des letzten normalen Sommers vor Corona wieder durchzudringen. Das liegt einerseits an der niedrigen Inzidenz. Aber auch als die Inzidenz noch deutlich höher lag, war das Thema Corona-Kommunikation bei uns kein gefragtes mehr. Vielmehr liegt das Interesse bei unseren Lösungen zu gendergerechter Sprache und Diversity.

Viele Ungleichheiten haben sich durch die Pandemie wieder verstärkt. Die bekannte Erwartung an Frauen, „Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen“ stand nun im Zeichen, Home Schooling und Home Office miteinander zu vereinbaren. Die Soziologin Jutta Allmendinger spricht in der ZEIT von einer „Retraditionalisierung“ der Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen. Demnach haben über 20 Prozent der Frauen ihre Arbeitszeit reduziert, wobei sich gleichzeitig die Zeit der Betreuungs- und Hausarbeit erhöht hat. Das zeigt die Notwendigkeit, sich als Unternehmen mit Gleichstellung zu befassen.

Eine weitere Erklärung für das abnehmende Interesse am Thema Corona ist, dass wir uns an die Ausnahmesituation gewöhnt haben. Bis eine Gewohnheit entsteht, dauert es durchschnittlich 66 Tage. Danach können wir Dinge tun, ohne sie zu hinterfragen, wie zum Beispiel an einem Onlinemeeting teilnehmen, ohne in dem Moment daran zu denken, dass es nicht in Präsenz stattfindet. Corona hat viele Alltagsgewohnheiten umgeworfen, und am Anfang ging es erst einmal darum, handlungsfähig zu bleiben und – persönlich und als Unternehmen – zu überleben. Es ist also denkbar, dass wir diese Anpassungsleistung schon Anfang letzten Jahres geleistet haben und nun darauf warten, bis wieder Normalität einkehrt.

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Doch bevor Normalität wieder möglich ist, braucht es Aufarbeitung. Unser Ansatz, den wir in der Unternehmensberatung im Kontext Gendergerechtigkeit und Diversity anwenden, besteht aus drei Schritten: Awareness – Empowerment – Change. Diese Schritte können wir ebenso auf dem Weg aus der Pandemie nutzen. Da Corona im letzten Jahr einiges umgeschmissen hat, empfehle ich das folgende Vorgehen, um etwas aufzuräumen:

Awareness: Wir müssen uns bewusst machen, wie wir mit der neuen Situation umgegangen sind. Welche Anpassungsleistung hat gut funktioniert, welche nicht? Wie haben wir in dieser Zeit kommuniziert? Wie sind wir in dieser Zeit auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter*innen eingegangen? Haben wir jemanden vergessen?

Empowerment: Hierbei geht es vor allem um Wertschätzung. Dafür, dass wir alle im letzten Jahr unter erschwerten Bedingungen gelebt und gearbeitet haben. Noch nie ist deutlicher geworden, dass wir die Vereinbarkeit von Privatem und Beruflichem nicht ohne weiteres voraussetzen können. Die Maßnahmen gegen Corona haben dazu geführt, dass Menschen sozial isoliert wurden. Sie haben dazu geführt, dass Eltern vor der Herausforderung standen, von zu Hause zu arbeiten und gleichzeitig ihre Kinder betreuen zu müssen. Oft wurde angenommen, jede:r habe „ein Zimmer für sich allein“, was schon Virginia Woolf als wichtigste Voraussetzung erkannte, um als Frau schreiben zu können. Wichtig ist, die individuell verschiedenen Belastungen, Unsicherheiten und Anpassungsleistungen aller Mitarbeiter*innen anzuerkennen. Und dann zu fragen: Welche Fähigkeiten habe ich im letzten Jahr entwickelt und wie kann ich diese in Zukunft gezielt einsetzen?

Change: In diesem Schritt geht es an den Kern: die Unternehmensstrukturen. Durch Corona haben wir viele neue Dinge ausprobiert, von denen einige sicher bestehen bleiben sollten. Aber es wurden auch nicht funktionierende Strukturen enttarnt. Viele bereits bestehenden Ungleichheiten haben sich im letzten Jahr verstärkt, hier möchte ich noch einmal die Belastung von Müttern nennen. Auch die Gewalt an Frauen hat während der Pandemie zugenommen. Der wichtigste Change, den wir jetzt brauchen, ist der Schutz besonders vulnerabler Gruppen durch Unternehmensstrukturen. Ein faires Gehalt ist ein wichtiger Ansatzpunktunkt, um finanzieller Abhängigkeit von Frauen entgegenzuwirken. Ebenso ist zu empfehlen, Teilzeit zu ermöglichen, um den Gegensatz von Familie und Karriere zu entschärfen. Auch hier zeigt sich der Stellenwert von gelungener Kommunikation: Unternehmen sollten schon bei Stellenausschreibungen auf gendergerechte Formulierungen achten, damit Frauen sich angesprochen fühlen und sich bewerben.

Das letzte Jahr hat gezeigt, dass Unternehmen einen ausgearbeiteten Notfallplan brauchen, der kurzfristig aktiviert werden kann. Die Pandemie konnte nicht, oder nur von sehr wenigen Menschen, in ihrem Ausmaß vorhergesehen werden. Daher ist der wichtigste Ansatzpunkt dieses Notfallplans eine klar strukturierte Kommunikation. Doch dafür braucht es zuallererst das Vertrauen der Mitarbeiter*innen. Um dieses beizubehalten, oder erst zu schaffen, ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig, der die Erfahrungen des letzten Jahres in den Blick nimmt und aus ihnen lernt.

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