„Sind Sie fein damit?“
#bescheuerte Anglizismen im Deutschen
Elka Sloan , 15.07.2021

An Anglizismen scheiden sich die Geister. Bedrohen sie die deutsche Sprache oder können sie nützliche Bereicherung sein? Elka Sloan widmet sich seit langem der Anglizismus-Kritik und erklärt im Expert Statement: „Es nutzt nichts, sie zu beklagen oder abschaffen zu wollen, während der Wandel und die ihn begleitende Debatte in vollem Gange sind. So mancher Anglizismus war die Aufregung gar nicht wert, weil er genauso schnell wieder aus der Mode kam, wie er sich verbreitet hatte.“
Eine Moderatorin der digitalen Hannover Messe fordert die Teilnehmenden auf, sich frei zu fühlen, weitere Veranstaltungen zu besuchen, an anderer Stelle wird angeboten, man könne gestaged werden, außerdem werde bedauert, dass irgendwer noch nicht ongeboardet sei (beides vom amerikanischen Programm Microsoft Word mit Wellenlinien als inkorrekt gekennzeichnet) und ich habe einen lieben Kollegen, der immer fragt, ob die Beteiligten fein mit etwas seien. Diese Beteiligten gehören selbstverständlich alle zur großen Community der Werker, die sich auf dem digitalen Shopfloor tummeln.
Für diese und ähnliche Sprach-Besonderheiten nutze ich auf meinem Twitter-Account das Hashtag #bescheuerteAnglizismen. Auf meiner Liste von Beanstandungen stehen
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Einzelvokabeln, für die es deutsche Entsprechungen gibt (Shopfloor),
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deutsch durchkonjugierte englische Verben wie die oben zitierten (im Übrigen geht das auch mit Hauptwörtern, aber da wirkt es meistens nicht so schlimm) und
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last but not least die wörtlich übersetzten Redewendungen wie „ich bin fein damit“, „fühlen Sie sich frei“ oder „am Ende des Tages“.
Lehnwörter sind natürlich nichts Neues. Im Siebzehnten und Achtzehnten Jahrhundert hielt sich in Deutschland jeder Kleinstfürst für Ludwig den Vierzehnten, und deshalb sprach man an den zahllosen Höfen Mitteleuropas Französisch. Heute erleben wir ein nie gekanntes Maß an Globalisierung, und die Sprache dieser Globalisierung ist Englisch. Die deutsche Sprache ist sicher nicht die Einzige, die mit Anglizismen geflutet wird. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zur Situation in Zeiten der Fürstenhöfe – damals sprach eine sehr dünne Oberschicht eine fremde Sprache, aber die heutige Aneignung englischer Sprachelemente geht quer durch die ganze Gesellschaft, sie ist durch und durch demokratisch. Es reicht von den Obszönitäten des Rap über verunglückte pseudo-englische Produktnamen (sehr schön gesammelt von Peter Littger) bis hin zu Fachausdrücken aus Wirtschaft und Finanzwesen. Der Gebrauch der letzteren kommt manchmal am ehesten an die Kleinfürsten des Achtzehnten Jahrhunderts heran – eine arrogante Oberschicht, die sich schon durch ihren Sprachgebrauch vom niederen Volk absondert. Der Kabarettist Maxi Schafroth hat immer wieder den Business-Angeber im Programm, der mit hippen Anglizismen nur so um sich schmeißt. Maxi Schafroth war übrigens Banker, bevor er Kabarettist wurde. Dieser Berufsstand wurde in Deutschland noch um 1900 „Banquier“ geschrieben, dann „Bankier“, bis wir nach dem 2. Weltkrieg irgendwann mal zum Banker übergingen. Ein schönes Beispiel für die zahlreichen Fälle, in denen ein französisches Lehnwort von einem englischen abgelöst wurde.
Die Übernahme von Lehnwörtern aus anderen Sprachen ist also nichts Neues. Genauso wenig neu ist es, dass über diese Worte und Konstruktionen debattiert wird und dass sie vehement abgelehnt werden. Der Verein für Deutsche Sprache vergibt jedes Jahr den Titel „Sprachpanscher des Jahres“. Ganz oben in der Liste der Beanstandungen sind jedes Jahr (neben der Genderei) die Anglizismen.
Auch im Achtzehnten Jahrhundert hat man sich über die deutsche Sprache Gedanken gemacht und versucht, sie von fremden Einflüssen zu reinigen. Dabei ging es den Sprach-Puristen nicht nur um das Französische, sondern um alles, was nicht germanischen Ursprungs war. Oder was man dafür hielt. Das ging so weit, dass man vorschlug, das Wort „Theater“ durch „Schauburg“ zu ersetzen oder das Wort „Horizont“ durch „Gesichtsendiger“. Derlei Bemühungen wurden auch schon von den Zeitgenossen verspottet, indem man beispielsweise unterstellte, die Sprachreiniger wollten die „Nase“ durch den „Gesichtserker“ ersetzen.
Etliche Neuschöpfungen der damaligen Sprachpuristen haben sich aber gehalten: „Augenblick“ für „Moment“, „Bücherei“ für „Bibliothek“, „Briefwechsel“ für „Korrespondenz“.
Fazit
Was lernen wir daraus? Man muss immer ein paar Jahrzehnte warten, bis sich Neuerungen in der Sprache einbürgern. Es nutzt nichts, sie zu beklagen oder abschaffen zu wollen, während der Wandel und die ihn begleitende Debatte in vollem Gange sind. So mancher Anglizismus war die Aufregung gar nicht wert, weil er genauso schnell wieder aus der Mode kam, wie er sich verbreitet hatte. Wer geht z. B. heute noch in einen Beatclub? Entspannen wir uns. Inzwischen finde ich es weiterhin bescheuert, wenn jemand „ongeboardet“ sagt.