Podcast 20blue hour, Folge 10: Was kann KI?
20blue, 27.01.2022

Was kann künstliche Intelligenz? Das Thema klingt für viele zunächst nach Science Fiction und weit entfernter Zukunft. Im Gespräch von Dr. Matthias Standfest von Archilyse und Anja Mutschler wird allerdings schnell klar, dass wir eigentlich von komplexen statistischen Berechnungen sprechen und eigentlich viel mehr über Daten statt über KI sprechen sollten.
20blue hour auf ...
Mit der Perspektive als Architekturberater kann Matthias Standfest von Archilyse aus erster Hand erklären, wie KI zum sinnvollen Werkzeug werden kann und warum wir uns häufiger über die Herkunft von und unseren Umgang mit Daten auseinander setzen sollten, als nur mit den Methoden, diese zu analysieren.
So kann KI auch eine Chance sein, Prozesse nicht nur effizienter, sondern demokratischer zu machen. Eine kleine Einführung in wichtige Begriffe rund um digitale Transformation und künstliche Intelligenz haben wir bereits in unseren Insights veröffentlicht.
Podcast-Transkript
Das Transkript zu unserem Podcast zum Nachlesen der Folge ist, passend zum Thema der Folge, automatisiert durch die Mithilfe einer künstlichen Intelligenz erstellt worden:
Anja: So, wir sind live. Na ja nicht live, aber On Air, lieber Matthias, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich freue mich sehr Euch zum ersten Podcast von twenty blue hour 2022 begrüßen zu dürfen, wir hatten ein tolles erstes Jahr mit diesem Podcast und Ich kann euch schon sagen, dass die Planung für dieses Jahr nicht minder spannend wird. Wir werden über Themen rund um Nachhaltigkeit, um Chancengleichheit und auch um das Thema digitale Transformation sprechen.
Ein wichtiger, sehr wichtiger und umstrittener Begriff, Trend, Thema ist dabei das Thema künstliche Intelligenz. Ein riesiges Feld und es ist im Grunde auch ein klein wenig vermessen, wenn ich sage dieser Podcast wird zu diesem Thema alles abschließend behandeln, dass ist aber auch gar nicht unser Ziel, mein Podcast-Gast heute Matthias Standfest aus der Schweiz, gebürtiger Österreicher, wir werden gleich mal rausfinden, wo er jetzt eigentlich genau sitzt, hat das Thema künstliche Intelligenz als Experte im Bereich Architektur auf dem Schirm und die Leitfrage für heute wird sein, was kann KI? Denn um diese Grenzziehung geht’s ja immer wieder in Debatten und da geht laut Matthias auch ab und zu mal was durcheinander und wir sprechen ja nicht zum ersten Mal, Matthias, heute über dieses Thema, insofern freue ich mich über diese Klärung, wir sind als 20blue ja in vielen Researches und Aufträgen mit Kunden immer genau an solchen Klärungen interessiert und ja, der Podcast nimmt im Grunde auch immer wieder einfach Hintergrundgespräche auf, die ich sowieso führe.
Lieber Matthias, Hallo, guten Tag oder Grüezi, ich weiß gar nicht, was du jetzt hauptsächlich sagst, wenn du guten Morgen sagst?
Matthias: Ich sage tatsächlich noch nach wie vor guten Morgen. Hallo Anja, Danke für die Einladung.
Anja: Wo treffe ich dich? Schweiz, Österreich anywhere in the world?
Matthias: Heute Zürich.
Anja: Heute Zürich, in deinem Office von Archilyse, richtig?
Matthias: Könnte man fast so sagen. Archilyse hat kein Office mehr, wir sind eine völlig virtuelle Firma, ich sitze in meinem Wohnzimmer.
Anja: Ja, so wie sich das für ein Startup gehört. Denn archilyse, dessen Gründer und CEO du bist kümmert sich darum, dass mit Deep Technology also tatsächlich nicht ganz einfachen, aber dadurch umso präziseren Machine-Learning-Methoden, KI-Methoden, das kannst du ja gleich noch mal erklären, Städtebau und Architektur vor allem fairer wird, oder? Kann man das so sagen, also dein Ziel ist es, mit Hilfe von Daten dafür zu sorgen, dass es bessere Architektur, aber auch für die Käufer und Mieter bessere Informationen gibt. Im Rahmen von Fragen wie miete ich das jetzt oder nicht.
Matthias: Ja, ich denke im Kern kann man das so formulieren. Ich glaube, es geht darum, dass wir dieses Architekturwissen demokratisieren wollen damit es einfacher wird, nach den Bedürfnissen der einzelnen Menschen zu bauen, transparenter durch datengetrieben, um auch hier die ganzen Prozesse effizienter zu gestalten.
Anja: Das ist interessant, was du sagst, zu demokratisieren und dann sprechen wir beide heute über KI. Ich glaube, das ist eine interessante Perspektive auf künstliche Intelligenz die du hast, die finde ich auch total faszinierend, wenn wir uns miteinander unterhalten. Denn landläufig ist künstliche Intelligenz eher auf der Seite der Dystopien verortet, uns Menschen wird Kontrolle entzogen, die Maschinen übernehmen. Deswegen wäre tatsächlich die allererste Frage an dich mal eine Definitionsfrage, was ist Klammer auf für dich, aber durchaus auch gerne mit deiner wissenschaftliche Expertise, du hast ja auch promoviert im Bereich Architekturgeometrie, wie man das für machine learning erschließen kann, was ist KI?
Matthias: Ich glaube ich beginne mal damit, dass ich mich am Begriff der KI eigentlich stoße. Durch diesen Term künstliche Intelligenz wird etwas personifiziert, das eigentlich keine Gestalt hat. Also irgendwie analog zum Leviathan aus der Literatur stellen wir uns unter künstliche Intelligenz sowas Wesenhaftes vor, fast etwas wie mit einem Bewusstsein und dieser esoterische Ansatz an künstliche Intelligenzschießt völlig am Ziel vorbei. Im Kern ist künstliche Intelligenz nichts anderes als wirklich gute Statistik und die ganzen Methoden, die wir im Computer einfach effizient gestaltet haben, könnte man natürlich auch mit Stift und Papier völlig manuell durchführen. Und wenn ich jetzt meine Statistik manuell berechne mit einem Bleistift ist es dann noch künstliche Intelligenz oder ist es einfach nur meine Intelligenz, die eine kleine Spur analytischer vorgeht?
Anja: Also, das heißt künstliche Intelligenz bedeutet Geschwindigkeitszuwachs, massiv, und dadurch wahrscheinlich auch ein gewisser Komplexitätszuwachs?
Matthias: Genau. Bislang hatte ich das Problem als Mensch, dass hochkomplexe Statistik sehr schwierig nachzuvollziehen ist. Sie ist sehr schnell sehr aufwändig, sehr zeitaufwendig, sehr fehleranfällig und über diese Matrix- oder Tensor-Multiplikationen, die man einfach jetzt relativ kostengünstig umsetzen kann gewinnt die Vorhersage, die Statistik an Detaillierung. Und das weiß man seit fast 20 Jahren, durch diesen Deitaillierungs-Gewinn erschließen sich völlig, neue bislang raus gefallene, feine Zusammenhänge komplexe Zusammenhänge, die aber analog zur Chaostheorie dann doch sehr starke Auswirkungen entfalten können,
Anja: Wir Laien kennen das mit der Butterfly Theorie glaube ich. Das trifft es ganz gut, wenn sich ein Schmetterling in Brasilien bewegt, hat das bis hierhin Auswirkungen. Das ist vielleicht auch so einer der ersten Grenzziehungen über die wir vielleicht nachher noch mal ausführlicher sprechen, es gibt bei dem Begriff künstliche Intelligenz in der Debatte aus meiner Sicht eine Laien- Diskussion und eine Profi-Diskussion oder siehst du das anders?
Matthias: Ja gibt es, aber ich muss sagen, dass die Profi-Diskussion zu viele laienhafte Züge annimmt. Man spricht dann bei den Experten über Machine Learning, das heißt, nur die Anwendung, eine Statistik umzusetzen, bis hin zur zur zur großen komplexen AI, die umfangreiche Entscheidungen treffen kann. Also, wo ich mir ein Gegenüber vorstellen kann, wie Google Assistant, der mir plötzlich alle meine Fragen beantworten kann, alle Aufgaben für mich übernehmen kann und der nächste Schritt ist dann die sogenannte Singularität, wo Experten davon ausgehen, dass ab einem gewissen Zeitpunkt sich die AI beginnt selbst zu optimieren, selbst weiterzuentwickeln und dann noch viel schneller an Qualität und Performance zunehmen kann.
Anja: Wobei ich da finde, das ist ein literarisches Konstrukt bislang, da lebt das schon gut. Das ist super cool, um darüber einen Roman oder eine Dystopie zu schreiben, aber wenn ich jetzt lese, wo wir gerade stehen in der Realität der künstlichen Intelligenz, also AI oder KI, das ist ja das gleiche, dann sind wir erstens davon noch weit entfernt und die Frage: ist die KI dann die beherrschende Rolle und ist der Mensch dann der Untertan ist doch eigentlich falsch gestellt. Also Singularität hat jetzt erstmal noch nichts mit dieser Herrschaftsumkehr zu tun, oder?
Matthias: Das ist der eine Punkt und der andere Punkt ist, dass in dieser Methoden-Verliebtheit die Frage der Daten völlig vernachlässigt wird. Nachdem Machine Learning defacto Statistik ist, kann Machine Learning ja nur so gut sein, wie die Daten auf die es aufbaut, also klassisches garbage in garbage out. Und vor dem Hintergrund vergisst man, dass die digitale Infrastruktur, die wir im Moment gerade aufbauen oder die sich im Moment ganz langsam entwickelt, maßgeblich dafür verantwortlich sein wird, wie sich ML-Algorithmen dann ausbilden können oder zu welchen Erkenntnissen die führen können. Wenn ich jetzt immer in den Medien lese, dass es irgendwelche Gremien gibt, die AI-lgorithmen überwachen sollen oder analysieren sollen, dann schlage ich als Experte die Hände über dem Kopf zusammen, weil das ist natürlich, Verzeihung, das ist völlig idiotisch.
Die Frage sollte vielmehr sein: welche Daten gibt es und solange ich auf schlechte Datenquellen angewiesenbin , bei denen irgendein Rassismus irgendein anderer Bias zugrunde liegt, wird natürlich jede Statistik dann genau diesen Bias reflektieren. Alles, was ein AI-Algorithmus machen kann, ist besser oder schlechter Muster in Daten zu erkennen, aber die Muster in den Daten, die füttere ich in dem Moment, wo ich die Daten erstelle.
Anja: Dieser Bias der Daten ist glaube ich ein Teil der Verzerrung in dieser Diskussion, weil das ein prima Moment ist, wo wir Menschen uns ja auch ehrlich gesagt ziemlich ergebnislos bisweilen kloppen, also welcher Bias ist nun erlaubt ist und welcher nicht und gibt es Bias-frei, also kann man überhaupt haltungslos, können wir als Menschen, können wir als Wesen haltungslos auf etwas drauf gucken. Ich persönlich bezweifle das ja so ein wenig. Siehst du da einen strukturellen Unterschied ,den KI machen könnte? Also erste Frage, das sind zwei Fragen: erste Frage wäre, kann die KI dafür sorgen, dass dieser Bias, den wir als Menschen dann nicht rauskriegen, wenn wir die Daten einfüttern, dass die KI den wieder rausnimmt, weil wir sie sozusagen dann auch so programmieren könnten, dass sie das auch mit berücksichtigt? Zweite Frage: hältst du es überhaupt für möglich, dass die künstliche Intelligenz da drüber geht. Also, dass wir unsere eigene Begrenztheit in der Entscheidungsfindung, wenn wir die Daten auslesen, dann kommen wir zu einem Schluß und entscheiden auf dieser Grundlage. Ist künstliche Intelligenz prinzipiell dafür der bessere Weg?
Matthias: Ich glaube, rein datengetrieben, rein evidenzbasiert ist es für jeden Algorithmus sehr schwierig zu erkennen, welche Muster gewünscht sind und welche Muster eher ermieden werden sollten. Dann müsste ich Apriori definieren, welche Muster gut oder schlecht sind, analog zu einem Gesetzestext. Was ich aber glaube ist, dass durch es die Digitalisierung viel einfacher wird, Daten zu sammeln, nämlich automatisiert zu sammeln und in dem Moment, wo ich Daten automatisiert völlig in ihrer Rohform zur Verfügung stellen, ohne eine menschlichen Interpretation dahinter, ist es natürlich einfacher, einen Bias zu vermeiden. Wir müssen früher ansetzen, also nicht am Algorithmus, sondern eigentlich in dem, wie wir Daten bereitstellen.
Anja: Aber jetzt mal im Ernst, digitale Transformation getrieben von Unternehmen, die sind ja jetzt nicht interessenlos bei der Datensammelei, oder? Also wie kriegen wir denn dann Zugang zu einem Daten-See, wo wir sagen, da kommt alles erstmal rein als Rohdaten, egal von welcher Quelle und die Programmierung des Algorithmus ist dann quasi die eigentliche Leistung. Ich seh da ein Problem, dass es überhaupt zu einem Daten-See kommt, der gut gefüttert ist und kostenfrei und intentionslos …
Matthias: Genau diese Punkt, das wäre eigentlich die gesellschaftliche Aufgabe, oder eine politische Aufgabe hier Daten-Repositories bereitzustellen, um global, ich sage mal gegen einen Rassismus-Bias in der Gesichtserkennung vorgehen zu können. Die meisten Applikationen werden nach ökonomischen Gesichtspunkten trainiert, ich nehme die Daten, die ich möglichst kostengünstig besorgen kann. Da gibt es relativ schlecht gelabelte Gesichtsdatenbanken, die sind auch schlecht belichtet, das führt natürlich dann zu einem Bias bei der Hautfarbe das hat einfach wirklich nur als Beleuchtungsproblem mit den Linsen zu tun und das führt dann eben weiter zu anderen Datenquellen, die ich eigentlich anzapfen könnte, wenn man die denn bereitstellen würde. Und da da gibt es natürlich so altes Internet, es gibt diesen Idealismus, Daten bereitzustellen, es gibt Wikipedia, Open Government, Open Street Map in der Georeferenz, also es gibt hier sehr wohl Bewegungen, denen dieses Problem bewusst ist, die aber natürlich immer laienhaft auf low budget betrieben werden.
Anja: Ja, das Thema würde ich gleich gerne noch mal aufgreifen, das finde ich sehr wichtig, die Datenherkunft beziehungweise Datengüte. Du hattest gerade vorhin in einem Nebensatz gesagt, dass Digitalisierung helfen kann diese Daten überhaupt erst mal zu heben, wenn wir uns die Diskussion um digitale Transformation anschauen ist es ja ähnlich aufgeladen und hängt sich auch wieder an dem Punkt auf: ich verliere meine Daten-Autorität, ist ja defacto auch gerade so, wie würde aus deiner Sicht denn eine gute Definition von digitaler Transformation oder Digitalisierung aussehen aus deiner Perspektive, was wäre ein guter Moment, wo dann vielleicht auch mehr Leute sagen, ja, unter der Perspektive macht das Sinn und ich mache mit.
Matthias: Ich glaube, dass man auch jetzt nicht der Propaganda der Erdölindustrie aufsitzen darf, also die Daten sind weniger in der Verantwortung von uns. Es geht nicht darum, dass ich persönliche Daten von mir teile. Ich bin nach wie vor für Privatsphäre, ich bin für den gläsernen Staat und ich sage aber auch, dass es in gewisser Hinsicht bei den Lieferketten, bei der Beschreibung der Produkte, in der Art und Weise wie wir unsere Umgebung beschreiben viel mehr Daten gäbe, die man teilen müsste, die aber dann von institutionellen Datenquellen können kommen müssten. Wo wird das Soja angebaut, das ich eigentlich dann in meiner Tiernahrung wiederfinde von dem Schnitzel, dass ich mir dann am Wochenende rausbrate. Diese Datenquellen, die müssten eigentlich zur Verfügung stehen, um hier wirklich auch Wissen oder Zusammenhänge extrapolieren zu können über ML, die uns zu einem gewissen gesellschaftlichen Fortschritt verhelfen würden. Ich brauce jetzt nicht teilen, wann ich meinen Geburtstag habe, oder was meine Lieblingsfarbe ist, weil alles was Machine Learning daraus entwickeln kann ist besseres Marketing und ich glaube Marketing haben wir alle genug.
Anja: Ja, das ist gut, was du jetzt sagst, dieser Unterschied. Ich glaube, das geht auch durcheinander, wofür wollen wir diese Daten überhaupt einsetzen und tatsächlich ist diese Ebene Marketing, mehr verkaufen, unsere Zielgruppen besser kennen, der größte Anwendungsfall, den wir alle kennen bislang und der betrifft uns persönlich negativ, in der Regel. Aber jetzt einfach mal dein Beispiel mit dem Soja-Schnitzel, das heißt mehr Information für jedermann, da stellt sich die Sache dann ja schon ganz anders dar. Dann bekommt finde ich KI auch an der Stelle jetzt mal ein freundliches Gesicht
Mattihas: Ja, das ist was Ermächtigendes. Ich als Laie, habe natürlich für vieles Informationsmangel, ich bin kein Experte, was Autos anbelangt, was Nahrungsmittel anbelangen was meine Krankheiten anbelangen, meinen Wohnraum und so weiter und in allen diesen komplexen Problemstellungen könnten mich diese Algorithmen oder diese Tools ermächtigen, bessere Entscheidungen zu treffen.
Anja: Ja, aber nicht nur uns als Menschen als einzelne Individuen, auch als Gruppe.
Matthias: Definitiv als Gesellschaft, wir stehen vor dem größten Umbruch, der Klimakrise, dieses Umwälzen der Welt, wie wir sie jetzt kennen, das ist ja unaufhaltbar, da bin ich leider Kulturpessimist und vor dem Hintergrund gibt es natürlich Challenges, es gibt da Anforderungen, es gibt gerade auch Anforderungen für die Nachfolgegenerationen, mit dem adäquat umgehen zu können und genau da sind dann solche Algorithmen unvermeidbar. Alternativlos, wie es mal jemand formuliert hat, hat, der auch diesen elendigen Term Neuland ins Spiel gebracht hat.
Anja: Es gibt ein Leid, dass wir beide teilen, also ich als Person, die jetzt ja schon im zwölften Jahr mit wissenschaftlichen Erkenntnissen Entscheidungen in Unternehmen und Organisationen unterfüttert und du als Person, die versucht mit Hilfe guter Daten oder Machine-Learning-Lösungen Architektur besser, transparenter mit Entscheidungen vorzubereiten Das Problem, auf dass ich hin will: bisweilen ist es nicht das Problem, dass die Daten existieren würden, sondern dass man sie nicht akzeptieren will, weil sie irgendeinem persönlichen Erfahrungsmoment widersprechen, weil sie dazu führen würden, dass man mal eine krasse Entscheidung trifft und da sind wir mit dem Thema Klimawandel natürlich beim besten Beispiel, wir wissen natürlich relativ viel und vor allem schon lange glasklar, da was wir tun müssten. Da könnte man jetzt sagen mit Hilfe von KI bekommt man die granularere Auflösung, an welchen Einzelstellen man was tun kann, aber trotzdem passiert nichts.
Irgendwie frage ich mich halt immer wo kann denn an so einer Stelle ein tolles Instrument wie KI wirksamer werden? Hast du da irgendwie eine Idee, kannst du mir mal raus helfen aus dem Dilemma, also sprich zu wissen oder ein Tool zu haben, dass es weiß, heißt ja noch nicht automatisch, das so gehandelt wird.
Matthias: Ja, ich glaube am besten kann ich es an meinem eigenen Beispiel bringen, also in der Architektur-Analyse, ich glaube von dort weg könnte man dann auf andere Anwendungsgebiete extrapolieren. Seit Tausenden von Jahren gibt es eigentlich kein Wissen, was gute oder schlechte Architektur ist. Es gibt ja verschiedene künstlerische Interpretationen, aber wenn man Architektur im Kern als Ingenieursdisziplin, also die Ur-Ingenieursdisziplin, begreifen will, dann läge dem auch so etwas wie ein Optimierungsdrift zugrunde. Und was wir in den letzten Jahren bewerkstelligt haben, ist, dass wir über Simulatione, also deterministische Verfahren aber auch über statistische Verfahren Grundrisse analysierten. Grundrisse von ungefähr 50.000 Schweizer Wohnungen und zu diesen Wohnungen wissen wir das Verhalten der Benutzer, wie viel war man bereit dafür an Miete zu zahlen, wie lange war man dann zu dem Mietpreis in der Wohnung, wie ist der Mieterwechsel, wie ist der Leerstand am Markt? Also wir sagen, dass das ultimative Umfrageergebenis eines Bewohners ist: wie viel ist mir diese Wohnung wert und wie gerne lebe ich in dieser Wohnung und wie lange will ich in dieser Wohnung leben und zu reflektieren, ist die Wohnung für den Benutzer jetzt gut oder schlecht und aus diesem ganzen Daten-Kontext konnten wir ermitteln, für welche Benutzergruppe welche Wohnungsparameter relevant sind. Dieses Wissen hat es bislang noch nicht gegeben. Es war bislang unmöglich zu generieren und über dieses Wissen können wir aber jetzt im Architektur-Wettbewerb den Bauherrn, den Auslobern sagen, dass an dieser Location, an diesem Standort für die Benutzergruppen die dort zu erwarten sind, die dort eine Wohnung suchen wollen oder werden, sind diese und jene Faktoren bei ihren Wohnungen am ausschlaggebendsten und ich kann damit den Architekten Richtlinien vorgeben und Planern klar erklären, für welche Aufgabenstellung sie zu entwerfen haben. Ich gebe keinen Entwurf vor, ich gebe keine Ergebnisse vor, aber ich weiß, woran werden die dann gemessen, was ist die Messlatte für Design und darüber kann man in ultima ratio Ressourcen sparen, ich spare die Zeit aller Beteiligten in dem Prozess. Ich vermeide, dass sich Architekten in falsche Ergebnisse verrennen, weil Architekten sind eh grundsätzlich überfordert, zeitlich ist das ein sehr stressiger Beruf. Ich vermeide, dass Gebäude gebaut werden mit viel grauer Energie, Baukasten, was auch immer, die der Zielgruppe an dem Standort gar nicht entsprechen und gleichzeitig ermögliche ich quasi nach den Regeln des Marktes demokratisch dort den Benutzern den bestmöglichen Wohnraum.
Anja: Was passiert ist, dass du die Grundlage aus der persönlichen Erfahrungswelt des Architekten der Architektin verbreiterst, könnte man sagen, ne? Also mithilfe dieser Daten hat er nicht nur seinen eigenen Erfahrungsschatz und den von Kollegen und den vom Büro und vielleicht eine bestimmte Neigung Dinge so und so zu machen, sondern er sagt: in Anbetracht dieser Daten ist es relativ klar, was wir tun müssen.
Matthias: Genau. Das schwierigste ist immer, eine gute Lösung zu finden, wenn es keine Rahmenbedingungen gibt und Architekten sind per Definition gute, kreative Problemlöser, aber wenn ich jetzt den Architekten Rahmenbedingungen stecken kann, die aus einem makroökonomischen, soziologischen, philosophischen Kontext, psychologischen Kontext heraus kommen, dann helfe ich Ihnen natürlich einen besseren Job zu machen. Und dann geht es weniger darum, dass ich jetzt irgendwie eine schönere Fassade rauf pappe, sondern es geht vielleicht mehr darum, dass ich an dieser Location mehr darauf achte, dass die Kinderzimmer nicht so Lärnbelastet sind und an einer anderen Location geht’s mehrdarum, dass ich im Zuge eines besseren Repräsentationszweckes, oder symbolischen Kapitals nach Bordieu,einen Ausblick auf zum Beispiel BigBen ermögliche.
Anja Das hat eine gewisse Parallelität zu der Arbeitsweise, die wir haben. Wir haben keine KI, wir haben Personen, die in der Lage sind, als prototypische Vertreter, sprich, die einfach eine große Lesedichte haben, zumindest für kleine Fragestellungen auch zu einem Punkt zu kommen, dass man sagt, mithilfe dieser Daten kommst du über den Entscheidungsmoment drüber, also diese Ratlosigkeit hat ja auch zugenommen. Meiner Beobachtung nach hat mehr Verfügbarkeit von Information nicht dazu geführt, dass wir bessere oder schnellere Entscheidung treffen. Das genaue Gegenteil ist der Fall, zumindest in unseren Denkregionen DACH. Ich arbeite ja auch für Kunden in anderen Regionen, da ist es ein bisschen anders, aber ich erkenne uns als ewigen Diskussionenzirkel zurzeit. Wir diskutieren alles und ständig und immer weil wir das Gefühl haben, wir haben nicht genug Informationen zu entscheiden, das ist glaube ich der springende Punkt
Matthias: ich gehe noch einen Punkt weiter. Ich sage, das ist wie ein Informationstsunami, also es steht uns zu viel Information zur Verfügung, wir wissen nicht wie auswählen, aber weil wir nicht wissen, wie auswählen führt es dazu, dass wir tendenziell aus unserem kognitiven Bias raus immer zur frischesten Information greifen, zur aktuellsten, auch wenn es nicht unbedingt die beste ist oder zur schrillsten. Diese Polarisierung der Gesellschaft hat natürlich mit dieser Flut an Informationen zu tun, weil man nicht weiß, worauf man sich fokussieren soll und diesen Fokus besser zu finden, auch hier können natürlich statistische Verfahren unterstützend eingreifen,
Anja: Ja, ich stell mir das gerade auch tatsächlich so vor, eine freundliche KI-App in der Sprache und in der Wissenstiefe, die ich halt zur Verfügung habe, das ist nämlich ganz verschieden. Ich finde Corona ist das beste Beispiel, da gibt es relativ viel Interferenzen auch deshalb, weil die Lage unübersichtlich ist. Wir als akademisch gebildete Personen haben entweder Menschen, die wir fragen können oder selber die Fähigkeit, die Komplexität zu durchschauen, aber ich frage mich manchmal schon, was ist eigentlich, wenn du das nicht hast, dann hast du gerade diesen Informationstsunami im Kopf und entscheidest dich dann, wie du so schön gesagt hast, zum Beispiel für die schrillste Information, diejenige, die am meisten heraussticht, ist ja grundsätzlich so. Und da stelle ich mir tatsächlich schon vor, in einer KI-freundlichen Welt, dass es auch die App gibt, die einem die Informationen so aufbereitet, dass ich sie verstehen kann und dass sie mir relativ klare und auch verständliche, ja, ich würde jetzt nicht sagen Handlungsanweisung, das hört sich schon wieder sehr einengend an, aber die mir die Welt auf meinem Level erklärt. Das fände ich echt wichtig.
Matthias Ich dreh’s um, im Kopf, also, ich denke ohne statistische Methoden ist meine Herangehensweise an die Welt naiv-realistisch, also das, was ich wahrnehmen kann. Aber viele Muster, viele Zusammenhänge, kann ich gar nicht wahrnehmen und um aus dieser Naivität auszubrechen brauche ich natürlich Methoden, Werkzeuge, die mir helfen. Wir kennen diese Werkzeuge jetzt aus dem akademischen oder wissenschaftlichen Diskurs heraus, Analyse, Vergleich, Muster ableiten und so weiter. Im Kern ist es aber einfach nur ein Werkzeug wie jedes andere auch. Mein Lieblingsbeispiel ist Tetris. Kommt aus der extended theory of mind heraus war eine schöne Studie, ich glaube, die ist schon 20 Jahre her. Man hat am Gameboy Tetris-Spieler analysiert und zwar unter zwei verschiedenen Aufgabenstellungen. die einen durften die Puzzlestücke, die dann am Bildschirm nach unten rattern, am Bildschirm rotieren und dann richtig positionieren und die anderen durften nicht am Bildschirm rotieren, die mussten sich überlegen, wie rotiert werden muss um danach erst dieses Stück positionieren zu dürfen. Die kognitive Belastung war für die, die es nicht am Bildschirm machen konnten, viel höher. Die, die Tetris am Computer spielen durften, so wie es gedacht war, konnten besser entscheiden konnten bessere Resultate erzielen. In der Symbiose Computer oder Maschine oder Algorithmus und Mensch kommt es zu besseren Entscheidungen und mit Statistik ist es nichts anderes, also, wenn ich eine Symbiose habe zwischen Geist und Statistik kommen zum Schluss bessere Resultate raus, nehme ich nur das eine oder andere, ja, dann wird’s beliebig. Dann kann ich drauf verzichten.
Anja: Aber für mich hört sich das auch ein bisschen so an, wir sprechen alle so, als ob die KI vom Himmel auf uns herab gelassen wird, wie der Heilige Geist dann je nach Religion positiv oder negativ, aber am Ende ist das Prinzip uralt oder?
Matthias: Jetzt im Diskurs z.b. bei mir in der Branche sprechen alle von Digital Twins, ich brauche ein digitales Abbild meiner Umgebung, um darauf Simulationen oder Ähnliches anwenden zu können. Aber ein Digital Twin ist nichts anderes als eine mathematische Darstellung und dann bin ich eigentlich bei Plato mit dem platonischen Körper von vor 3000 Jahren. Es hat sich ja nichts weiter entwickelt. Digitalisierung ist ja auch kein neuer Effekt, das Erkennen von Mustern, das Erkennen von Zusammenhängen ist der Gesellschaft immanent, auchh nach Luhmann, das ist die Quintessenz unserer gesellschaftlichen Struktur.
Anja: ich glaube auch, wir laufen ja tagtäglich auch mit einem Detektor rum, soziologisch betrachtet wollen wir zu einer Gruppe gehören. Die Gruppe einigt sich ja im Grunde auch auf ein Muster, also wie sie die Welt sieht oder auch ästhetisch, wie sie sich anzieht, also auf der Mustersuche sind wir glaube ich ständig und man hat, und das finde ich halt an den Gesprächen mit dir immer sehr interessant, einmal zurückzutreten und zu sagen, wo bin ich eigentlich als Mensch beschränkt in der Fähigkeit, das richtige Muster zu erkennen, also auch für mich richtig oder für die Gesellschaft oder für das Problem, das ich gerade lösen willt, das spielt, und das war der zweite Aspekt, auf den ich hinaus wollte, bei deinem schönen Beispiel mit dem Architekturwettbewerb, man muss eine gewisse Uneitelkeit entwickeln. Das ist zum Beispiel das, was ich jetzt in politischen Entscheidungen, warum wir Jahrzehnte über die Frage reden, wie wir jetzt CO2 reduzieren und lalala es sind auch manchmal ganz banale Eitelkeiten oder Befindlichkeiten, die gegen irgendwas stehen. Eine Trägheit, sich umzuentscheiden, digitale Transformation im Gesundheitswesen könnte bedeuten, dass der Arzt an einem bestimmten Moment aus seinem Weißkittel raus muss und sagen, jetzt gucke ich mal, was mir die künstliche Intelligenz mit den Symptomen eigentlich vorschlägt. Krass, da war was dabei auf das bin ich noch nicht gekommen. Wow. Das halte ich für ein Kernproblem in der ganzen Debatte, dass diese Entthronung des Menschlichen, des ich bin der Gott auf der Welt, dass künstliche Intelligenz da was bedroht.
Matthias: Ja, verstehe ich, aber wenn man sich das vor Augen führt, ist das doch Wahnsinn. Es ist einfach Wahnsinn als Spezies, die eigentlich Werkzeuge benötigt hat, um sich entwickeln zu können, definieren wir effektive und effiziente Werkzeuge plötzlich als etwas, das uns in unserem symbolischem Kapital beeinträchtigt, weil wir Expertise oder ähnliches auf der Hand geben müssen, als hätten sich die Kinder in der industriellen Revolution beschwert, die plötzlich nicht mehr im Stollen nach Kohle graben haben müssen, sondern zur Schule durften, weil James Watt die Dampfmaschine erfunden hat. Ich meine, in welcher Dekadenz befinden wir uns denn derzeit in unserem Geist.
Anja: Ja, also, das kann ich auch nicht so ganz auflösen für mich. Ich habe schon den Eindruck, was ich am Anfang sagte, dass in dieser Diskussion Dinge des Menschseins in die Diskussion rein gebracht werden, wo ich denke, wow, das war jetzt zeitgeschichtlich betrachtet ein ganz kleiner Moment und ich als Frau muss auch sagen nicht der beste Moment für uns jetzt im Sinne der Emanzipation. Ich begrüße ja sehr viele Fortschrittsmomente auch deshalb, weil ich merke, sie dienen einem gleichberechtigteren Umgang z.b. zwischen Mann und Frau, zwischen verschiedenen Kulturen. Die Informationen richtig zu nutzen und auszulösen entthront bestimmte Charaktere, wo ich denke, ja bitte, eure Zeit ist vorbei und das ist gut so. Das macht aber glaube ich auch den Widerstand so heftig.
Matthias Man muss natürlich sagen,auf diese Art interpretiert hat die Digitalisierung was Revolutionäres. Plötzlich können wir uns von symbolischen Beschäftigungen emanzipieren und dieses Symbolische war immer zugeschrieben, hatte immer irgendwas mit einer Position zu tun, um sich zu identifizieren oder als Distinktionsmerkmal, das war irgendwie einer Klasse immanent. Arztfamilien, Juristenfamilien und so weiter, also umso durchlässiger das plötzlich wird, weil ich natürlich über Technologien die Eintrittsbarrieren zu diesenJobs verringern kann. Umso schwieriger wird es für die, ihren Stand zu verteidigen. Wir leben ja nach wie vor in einer bürgerlichen Gesellschaft und das gleiche ist mit Erfahrung. Erfahrung ist ja eigentlich Statistik oder Intuition, das ist dieses Bauchgefühl. Es ist nichts anderes als Statistik, die ich nicht ausformuliert habe, es liegt meinen Gedanken eine gewisse Daten- und Erfahrungsgrundlage zugrunde.
Anja: Die umso besser ist, umso gebildeter ich sein durfte.
Matthias: Ja genau, aber auch je mehr Zeit ich damit verbringen durfte, diese Erfahrungen zu sammeln. Kann ich studieren gehen und kann ich mich voll auf mein Studium fokussieren, kann ich Auslandssemester machen oder bin ich finanziell gezwungen, Jobs auszuüben, die eigentlich nicht in meiner Profession liegen. Es ist natürlich jemand, der ein Praktikum bei einem Architekten machen kann, nichtt bezahlt es wird von den Eltern unter die Arme gegriffen, hat hier erfahrungsmässig besser Karten, als jemand, der dann kellnern geht weil dort einfach das Salär besser ist. Das geht über diese ganze Erfahrungsentwicklung hinaus und dann wird natürlich bei verschiedenen essentiellen Jobs das Alter immer noch unten setzt, also plötzlich muss ich 35 sein, dann muss ich 30 sein, dann darf ich ältestens 25 sein, um den Job auszuüben. Das stellt einen sozialen Filter dar.
Anja: Du bist 25 und hast deine ein, zwei Abschlüsse geschafft und bist dann auch noch so ausgebildet, dass finde ich tatsächlich ein Problem, wenn du sagst Statistik, dann weiß ich, dass viele Zuhörerinnen und Zuhörer denken: Oh mein Gott, lass mich in Ruhe mit Statistik! Das hat einen echt schlecht Ruf und ich glaube, dass ist auch noch ein Teil der Problematik in Richtung KI, in diese datengetriebene Welt zu gucken, dass man denkt, ich verstehe dieses Werkzeug nicht und ich bin ausgeliefert ein paar wenigen, die das nutzen, die das einsetzen können die skilled enough sind und es gibt eine hohe Eintrittsbarriere bezüglich der Gestaltung dieser KI-Welt. Das ist tatsächlich noch so ein zweiter Aspekt, der mir jetzt Stand Heute Sorgen macht, deswegen die Frage an dich Matthias, was würdest du denn denken, was man als nächstes tun müsste, um diese Vision einer demokratisierenden KI, ich nenne es jetzt mal ganz bewusst so, umzusetzen.
Matthias: Ich glaube das beginnt damit, dass man mit dieser dekadenten Kritik an diesen Ansätzen aufhört. Zwei Sachen kennt jeder von uns, das eine ist, diese eine Aussage ‘traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast’, das ist ja im Kern Wissenschaftsfeindlichkeit hoch zehn. Und was ich damit mache, ich greife den Kern an jeder evidenzbasierten Entscheidung. Kommt natürlich aus der Politik kommt eigentlich rein aus der Propaganda. Man sieht jetzt bei Trump, umso weiter man existierendes Witzen bezweifelt und bei der Klimaerwärmung, dieser Fairness Bias und umso mehr ich diese uncertainty streu, vielleicht stimmt es ja doch nicht, umso eher kann ich meine falschen Informationen rausbringen, oder ich kann meine Falschinformationen als ebenbürtig positionieren. In der Mathematik, in der Statistik geht man eigentlich eher vom umgekehrten Schluss aus, da gibt es das sehr bekannte Zitat, frei übersetzt, das heißt: wie falsch kann ein statistisches Modell sein, um noch sinnvoll zu sein, um noch nützlich zu sein, da geht es eher um Pragmatismus oder eigentlich optimistischen Pragmatismus.
Welche Hilfe stellen mir eigentlich auch schlechte Daten zur Verfügung, schlechte Statistiken. Ich kann eigentlich auf Mittelschulniveau Statistiken generieren, von denen wir alle profitieren
Anja: Das wäre ein Anfang, also, was du mir jetzt gerade sagst ist sozusagen: man muss nicht promoviert haben in Machine Learning wie du um jetzt in dieser neuen Welt durchzublicken und vielleicht sogar auch aktiv an der Welt mit zu stricken. Also, das finde ich fast noch entscheidender. Eine Sorge, die ich aktuell gerade habe und ich glaube das teilen auch viele: wer besitzt denn gerade die Daten? Bislang, finde ich, ist da der gordische Knoten noch nicht gelöst und es ist extrem lukrativ in dieser Industrie zu arbeiten, wenn man die jetzt anschaut ist die so viel wert, wie viele Länder, die haben also extreme power und Gestaltungsmacht dadurch auch, es ist aber wie ein Paralleluniversum und das was du beschreibst als Vision sollte nicht in der second sondern in der first reality stattfinden, denn tatsächlich wird die Statistik, die wir jetzt gerade in der Performance irgendwie gebaut sehen, das ist dann Metaverse, das sind Sachen die hochkomplizierte aber von unserer jetzigen Welt abgehobene Dinge produzieren. Dir geht’s ja offensichtlich genau andersrum so, da muss ich jetzt meinen Sohn ausnahmsweise mal zitieren in diesem Podcast der mit seinen 17 Jahren schon sagte, na ja, lass uns doch erstmal die erste Realität gut machen, bevor wir die zweite aufbauen. So wie ich dich verstehe, kann KI tatsächlich im Großen und Kleinen helfen, Prozesse effizienter, besser und demokratischer zu machen. Da gibt’s eine Reihe von Aufgaben, die jetzt ganz pragmatisch angegangen werden müssen, auf der politischen Ebene ganz offensichtlich die Daten-Repositories hast du es glaube ich genannt, ich nenne es mal Daten-See, so bereitzustellen und mit Open Data auch noch mal ein bisschen klüger umzugehen, da habe ich bei le monde diplomatique gelesen, dass quasi die ganze Open Source Community mittlerweile auch schon an den Großen dran hängt, an den großen Digitalunternehmen und quasi Open Source nicht mehr der Welt gehört, sondern Konzernen, das finde ich ist z.b. ein relativ konkretes Thema, das politisch anders reguliert werden müsste. Und dann finde ich aber tatsächlich dieses Feld Ausbildung, also wenn du sagst, es gibt super Statistiken und es ist auch schon gut, wenn man mittelprächtige Statistiken nutzt, dass man diese Ausbildung auch ein bisschen demokratisiert und vielfältiger macht, weil jetzt ist es dann der krasse Big Data Scientist, wo 90% meiner Bubble, die ja nun auch nicht auf den Kopf gefallen ist, sagt Jo, Nee danke, auf Wiedersehen, ich schreibe weiter meine klugen Essays, die keiner liest.
Das finde ich sind zwei ganz wichtige Aspekte in der Ausbildung und in der Bereitstellung von Daten. Da muss tatsächlich aus meiner Sicht noch mal was passieren und das dritte ist, glaube ich, dieser Aspekt der Uneitelkeit und du hast es jetzt Dekadenz genannt, du hast es aber vielleicht in einer Art formuliert, wo ich dann später höre, das wird folgenlos bleiben, glaube ich, du kannst jemandem sagen sei nicht so dekadent, der wird sagen: ja okay, weiß nicht worüber du redest, ich mache einfach weiter. Gibt es für dich, vielleicht auch Länder, wo du sagst, da funktioniert das besser. Da funktioniert das Zusammenspiel zwischen menschlicher Klugheit und Daten so, dass der Mensch seinen Job besser machen kann oder seine Entscheidung besser treffen kann, ohne dass er irgendwie dieses Ego-Problem hat. Fällt Dir da irgendein Beispiel ein, wo das heute schon gelingt?
Matthias: Der Vorreiter in Europa ist Estland. Völlig digital und da hat sich auch ein völlig anderer Mindset entwickelt, sämtliche Krankenakten sind digital und bei uns schrillt dann die Alarmglocke, Jeder hätte Einblick in die Daten. In Estland ist es so, wenn meine Daten nicht digital sind, dann kann ich ja gar nicht nachverfolgen, wer alles Zugriff auf meine Daten gehabt hat. Nur dadurch, dass die digital sind habe ich meine Daten unter Kontrolle.
Das ist ein Paradigmenwechsel in dem, wie ich über Daten, wie ich über diese Abbildung von Wissen und Informationen spreche.
Anja: Ja, das stimmt, Estland und Dänemark auch, hat man gerade in der Corona Pandemie gesehen, auch wegen einer anderen Einstellung zu der Frage, wie wird die Information eingesetzt und wer profitiert davon.
Matthias: Das ist eben genau dieser pragmatische Ansatz, also zum Beispiel auch Südafrika, noch aus Zeiten der AIDS Pandemie oder Epidemie, da gibt’s eine ganz andere Awareness zum Gene Splitting oder zu dieser Analyse von Viren. Das ist ein uneitler Fall, die pragmatische Überlegung natürlich so viel Wissen wie möglich zu diesen Tests zu sammeln und den Medizinern zur Verfügung zu stellen.
Anja: Ist das in der Schweiz besser, ich frage dich jetzt mal einfach ganz banal, weil ich in Deutschland manchmal denk, wir schaffen es nie.
Matthias: Da ist glaube ich der ganze Alpenraum gleich, da könnte ich jetzt kein Land rausnehmen oder hervorheben.
Anja: Gibt es nicht einen Philosoph, irgendeinen Denker der diese Verbindung geschaffen hat, einmal eine 180 Grad-Drehung: Hey, eine kluge KI nützt mir, nützt uns, nützt sozialen demokratischen Wesen. Fällt dir da jetzt irgendein Lesetipp ein? Für die, die es weiter vertiefen wollen.
Matthias: Ich habe zwei Filmtipps, ich habe Moneyball. Moneyball basiert auf einer wahren Begebenheit und zwar er Entwicklung von Cybermatrix. Cybermatrix ist ein anderes statistisches Verfahren, um Baseballspieler zu bewerten und das ist einfach nur so ein Perspektivenwechsel um 180° auf dieses Spiel mit den ganzen Implikationen und dort gibt es die gleichen sozialen Reibepunkte in diesem Team an Trainern und Couches und Scouts, wie wir es eigentlich im Moment auch makrosoziologisch wahrnehmen. Dann gibt es noch zwei gute Filme eben damals zum Crash, zur Wirtschaftskrise 2009, es hat davor Analysten gegeben, die ihre statistischen Modelle nicht nach diesen dogmatisch verfolgten Wachstumsszenarien errechnet haben, sondern sehr detailliert reingegangen sind, komplexe Zusammenhänge abgebildet haben und die haben natürlich dann die Vorzeichen adäquat interpretieren können und die haben sich dann auf diesen Crash vorbereitet. Die haben teilweise auch Warnglocken geläutet, sie haben das kommuniziert, die sind jetzt nicht auf ihren Händen zu Hause gesessen und haben sich drauf gefreut, dass die ganze Blase platzt, sondern die wollten das eigentlich noch bremsen, aber sind im schrillen Kanon untergangen.
Anja: Da ist dann der neueste Film von Netflix Don’t look up auch ein schönes Beispiel. Das finde ich tatsächlich eine Sache, die man für sich selber vielleicht auch mitnehmen kann. Also wie komme ich eigentlich zu einer Entscheidung da noch mal bei sich selber auch zu gucken, auf welcher Grundlage treffe ich diese Entscheidung, da sollte sich auch jeder, ich selber ja auch, an die Nase fassen, diese Aufregungskonjunkturen, die man bisweilen täglich durchläuft, wenn man sich an den Lautesten dran hängt, das geht ja in beide Richtungen, das finde ich schon noch mal einen wichtigen Moment der Reflexion das halte ich auch für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Tatsächlich müssen wir jetzt mal schauen, wir haben ja auch noch ein Projekt, vielleicht können wir ja auch was dazu beitragen, dass das irgendwie klarer wird. Ich denke da wirklich an euch, die ihr jetzt zuhört, ich verstehe diese Genervtheit gegenüber der Dominanz, wie digitale Transformation bisweilen kommuniziert wird: noch mehr Konsum noch mehr Kommerz noch mehr schneller, noch weniger Berührung mit dem natürlichen Zustand, diese Entfernung von mir selber, aber darum geht’s da nicht, also tatsächlich ein falsch gesetzter Schwerpunkt in dieser Debatte
Matthias: Vor dem Hintergrund dieser ganzen Klimakrisen- und Mass-Extinction-Depression ist aus meiner technokratischen oder pragmatischen Perspektive heraus diese Statistik der einzige Strohhalm, an den wir uns noch klammern können. Kleines Orchideen-Beispiel zum drüber streuen: in der Kalahari gibt es seit Jahrtausenden dieses Wissen, wie man die Spuren der Nashörner richtig lesen kann. Geht das gerade langsam, geht es schnell, nach links, rechts, welches Nashorn ist es. Jetzt kann man alles eigentlich aus diesem Fußabdruck ablesen und das wurde jetzt eben algorithmisch auch nachgebildet, damit Wildschützer ein besseres Tool haben, um die Nasehörner vor Wilderern zu beschützen
Anja: Ja, und das sieht man mal, das ist ein uraltes Prinzip und wird besser gemacht. Es wird zugänglich gemacht.
Matthias: Genau. Es ist eigentlich eine Logistiklösung, ich mache damit Wissen oder Mustererkennung zugänglicher.
Anja: Also was kann KI? Ich glaube wir kommen jetzt auch so langsam zum Ende. Es ist schon glaube ich eine andere Antwort als man sie landläufig geben kann. Es geht nicht darum, dass sie ganz viel Welt beherrschend uns alle bestimmen werden kann, das ist gar nicht die Frage, sondern was kann KI, sie kann zu einer transparenteren, offeneren Gesellschaft führen, sie kann uns auch bei großen Fragen helfen, dass wir diese besser beantworten. Unter den geeigneten Voraussetzungen von einer ich würde mal sagen statistisch freundlicheren Ausbildung, liebe Mathelehrer seit dam mal kreativ
Es ist auch ein Tool, das mehr Leute bedienen können, als sie denken, weil wir tun es tatsächlich tagtäglich mit Erfahrung und Intuition sowieso, wir nennen es anekdotische Evidenz, das ist auch gut so, dass wir uns quasi da abgrenzen. Anekdotische Evidenz ist das, was ich weiß, aber wenn es unzählig viele ichs wären, dann wären meine Entscheidungen oft auch besser. Was ist dein Schlusswort, Matthias? Was möchtest du uns mitgeben?
Matthias: Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann werden sich weniger Sorgen um KI oder Machine Learning macht, sondern vielmehr darum, wie wir als Gesellschaft die Daten zur Verfügung stellen können, wo wir uns wünschen würden, dass man auf deren Basis Wissen lernt oder extrahiert. Es geht um Daten, es geht eigentlich um ein neues Bürgertum, um Verantwortung Verantwortlichkeit teilen.
Anja Das ist auch noch mal eine große Aufgabe an die Politik, wo es wahrscheinlich auch ein stückweit Wissenslücken gibt, wo muss ich eigentlich anfangen, um dieses neue KI-Zeitalter beherrschbar zu machen, um die Demokratie darin zu wahren, das ist glaube ich schon noch mal ein wichtiger Punkt. Es geht wirklich um die Bereitstellung von Daten und um Regulierung an der richtigen Stelle
Wunderbar, wir reden weiter ohne Mikro ganz sicherlich noch für euch war es jetzt ein hoffentlich interessanter Jahresauftakt des Podcasts 20blue hour, nächstes Mal im Februar geht es um das Thema nachhaltiger Konsum auch sehr spannend, auch ein wichtiges Thema und für heute, Matthias, danke ich dir ins schöne Zürich und wünsche dir ein tolles Wochenende, heute ist der 21. Januar.