Podcast 20blue hour, Folge 11: Nachhaltiger Konsum
20blue, 03.03.2022

Gemeinsam mit der Konsumforscherin und Wirtschaftspsychologin Prof. Dr. Katharina Klug und dem Markenentwickler Magnus Fischer bringt Anja Mutschler von 20blue Licht ins Dunkel des nachhaltigen Konsums. Im Gespräch wird geklärt, was einen nachhaltigen Konsum ausmacht, wie vielschichtig Nachhaltigkeit von der Verpackung bis zur Produktion ist und warum wir nicht nur Endverbraucher:innen in die Verantwortung ziehen sollten, sondern Nachhaltigkeit bei den Unternehmen selbst anfangen sollte.
20blue hour auf ...
Nachhaltig konsumieren ist zu einem Trendthema geworden: unverpackt einkaufen, der Verzicht auf Fast Fashion und ökologische und regionale Produkte werden Teil des Angebots.
Als Verbraucher:in muss man sich das ganze aber erst einmal leisten können. Und durchsteigen, was denn nun überhaupt ein nachhaltiges Produkt ist, in einem Abwägen verschiedener und oft komplexer sozialer, ökologischer und ökonomischer Dimensionen.
Mit der Konsumforscherin und Wirtschaftspsychologin Prof. Dr. Katharina Klug und dem Markenentwickler Magnus Fischer beleuchtet Anja Mutschler gleich aus mehreren spannenden Perspektiven auf dieses komplexe Thema, bei dem nicht nur Verbraucher:innen im Fokus stehen sollen, sondern vor allem auch die Unternehmen selbst.
Expert Insight — Nachhaltige Lieferketten

Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der in der Praxis sehr unterschiedlich definiert wird. Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht, was auch häufig genau das Problem in der Kommunikation ist.
Unser Expert Insight von Daria Mak-Walther zeigt diese Problematik am Beispiel der nachhaltigen Lieferkette und beantwortet dabei, was eine nachhaltige Lieferkette überhaupt ausmacht, welche Auswirkungen das LkSG hat und wie aktives Lieferantenmanagement im Sinne des LkSG aussehen kann, sodass die Gesellschaft, das Unternehmen und Zulieferer profitieren.
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Podcast-Transkript
Das Transkript zu unserem Podcast zum Nachlesen der Folge wurde automatisch erstellt und nur leicht überarbeitet.
Anja: Ich heiße euch alle willkommen zum elften Podcast von 20blue hour, Thema heute: Nachhaltiger Konsum. Mein Name ist Anja Mutschler. Ich bin Geschäftsführerin bei 20blue, einem Research Institut, das für Unternehmen und Organisationen Studien, Analysen, wissenschaftliche Beratung macht und habe heute zwei Fachleute mitgebracht, die sehr spannende Insights zum Thema nachhaltiger Konsum täglich bearbeiten, die mit mir schon tolle Gespräche zu dem Thema geführt haben und bei denen ich guter Hoffnung bin, dass wir das Mysterium „Wie kann eigentlich ein nachhaltiger Konsum funktionieren?“ heute mal für euch ein bisschen aufdröseln. Hallo Katharina Klug, Hallo Magnus Fischer.
Katharina Klug ist Professorin. Seit einigen Wochen an der Hochschule Ansbach, zuvor an der Fresenius in München, mit Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie, genauer Markt- und Kauf-Psychologie. Sehr spannend. Spannende Insights zum Thema: Wie tickt der Verbraucher? Was möchte der Verbraucher und die Verbraucherinnen? Was sind Trends, die uns antreiben? Und da haben wir letztes Jahr von Katharina Klug schon in dem Research Paper zum Thema Nachhaltige Lebensmittelverpackungen lesen können, dass Themen wie Recycling durchaus eine signifikante Rolle spielen.
Und von Katharina werden wir heute, denke ich, ein bisschen Insights hören, wie sich Konsumentinnen zum Thema Nachhaltigkeit beim Einkaufen, beim Konsumieren eigentlich entwickeln, welche Trends es gibt und ob da jetzt ein Durchbruch ist. Ich selbst begleite das Thema in verschiedenen Projekten jetzt seit über 10 Jahren und erinnere mich noch sehr gut an den großen Unterschied zwischen proklamierter Nachhaltigkeit in Mainstream-Medien, also Tageszeitungen, Magazinen, Forderungen und dann auch opulent von Unternehmen aufgegriffene kleine Maßnahmen. Aber hinter vorgehaltener Hand wurde einem sehr stark suggeriert, dass das für den großen Umsatz gar keine Rolle spielt, so eine nachhaltige Kampagne. Ob sich das geändert hat, werden wir heute erfahren. Und Magnus Fischer? Uns zugeschaltet aus Österreich, wo genau kann sie ja gleich erzählen, ist Designer und Markt-Entwickler, hat also die Perspektive als Designer, aber auch ganz stark mit Blick darauf, was die Personen, die dieses Design dann nutzen, die dieses Design verkaufen, die dieses Design anwenden, dafür brauchen, auf dem Schirm und hat einen spannenden Schwerpunkt im Bereich Biolebensmittel. Das finde ich nochmal ganz, ganz spannend zu hören, was das eigentlich bedeutet. Also wird auch im Bereich nachhaltiger Konsum uns erklären können wie Konsument:innen z.B. auf neue Verpackungen reagieren, was Bedarfe sind, wenn es um nachhaltige Lebensmittel als solche geht, was da überhaupt möglich ist und ob es da Trends gibt, die vielleicht Händler oder Maschinenbauer oder Hersteller kennen sollten. Ja Katharina, mit dir fange ich mal an, erst einmal die Frage: Wo sitzt du? Es ist jetzt der 18.02. um 13 Uhr 57, also vor dem neuen Sturm mit Z. Ich hab’s mir nicht gemerkt, wie er genau heißt. Noch ist es ruhig bei mir hier in Leipzig ist es bei dir, wo auch immer du bist, auch noch ruhig?
Katharina: Ja, also ich sitze in dem schönen München und im Moment kein Sturm in Sicht, aber ich glaub es ist eher die Ruhe vor dem Sturm.
Anja: Katharina Ich würde gerne mit dir anfangen. Wir haben einen Podcast zum Thema nachhaltiger Konsum. Was ist Konsum und was ist nachhaltig und was ist nachhaltiger Konsum? Kannst du uns ein wenig erhellen?
Katharina: Riesenfragen, ich versuch’s mal. Was ist Konsum? Alles was wir zu uns nehmen, was wir kaufen, verbrauchen in jeglicher Form also auch Fernsehfilme, Medien lassen sich ja konsumieren. Aber wenn wir über Konsum sprechen, kommt uns natürlich im ersten Moment das Produkt oder der Service in den Gedanken, den wir irgendwo kaufen, erwerben. Sei es jetzt online oder offline. Was ist Nachhaltigkeit? Huch, Riesending. Nachhaltigkeit ist aus meiner Sicht etwas, was langlebig, was langfristig orientiert ist. Ich betrachte nachhaltiges Handeln oder Verhalten immer als ich handle, so dass die Nachwelt auch noch etwas davon hat. Also alles, was nach mir kommt. Und in der ZEIT hat jemand mal eine schöne Frage gestellt: Wie lässt sich unser Konsum oder unser Verhalten und eben auch unser Wirtschaften so ändern, dass die Natur, die Gesellschaft überleben kann? Und das war eben unter dem Stichwort Nachhaltigkeit, also Überleben. Es geht um nichts anderes als ums Überleben. Und nachhaltiger Konsum ist genau das. Also wie konsumiere ich Dinge oder Services so, dass ich niemandem per se damit schade. Und damit meine ich nicht nur Personen, sondern eben auch die Umwelt. Und diese Perspektiven, die beziehen sich ja auf verschiedene Ebenen. Das kann ich für mich selbst tun, indem ich gesundheitsbewusst agiere. Das kann ich für die Umwelt tun, indem ich umweltbewusst agiere. Und das darf man nicht vergessen, das kann ich und soll ich auch für die anderen tun. Also alles, was soziale Interaktionen sind, das sind vielleicht diese Dimensionen des nachhaltigen Konsumierens, die wir haben und die wir ansprechen können.
Anja: Sehr spannend. Magnus, wo sitzt du? Und hast du auf diese wunderbare Definition noch eine Ergänzung aus Designsicht?
Magnus: Ja, ich sitze in der Nähe von Salzburg, also quasi vor den Toren von Salzburg, gar nicht so weit weg von Katharina, tatsächlich. Also dazwischen das Voralpenland und dann kommt eben Salzburg und die Berge gehen hier so richtig los. Der Sturm ist bei uns vorbei. Zum Thema nachhaltiger Konsum vertrete ich vielleicht, wie du es im Vorfeld ja bereits erklärt hast, durchaus auch immer die Perspektive des Konsumenten. Also bin ich auch immer so ein bisschen der Advokat des Konsumenten, habe aber gleichzeitig natürlich auch immer meine Auftraggeber im Blick, nämlich diejenigen, die die Produkte in den Markt bekommen. Und der nachhaltige Konsum ist zumindest nach meinem subjektiven Empfinden aktuell sehr stark immer auf den Konsumenten oder die Konsumentin fokussiert als diejenige Person, die am Ende dann eben auch kauft. Der wird da viel Verantwortung und viel Schuld auch zugeschrieben. Und das sehe ich durchaus eben etwas differenziert, weil ich denke, es braucht die ganze Wertschöpfungskette, um am Ende dieses große Thema Konsum irgendwie zu transformieren. Und die Wertschöpfungskette fängt eben auch schon viel früher an. Also nicht nur beim Händler oder beim Markenartikler, sondern die beginnt ja eigentlich schon beim Sourcing der Materialien, bei der Auswahl des Packagings und eben auch bei diesen übergreifenden Systemen, die wir zum Beispiel im Bereich Verpackung ja alle nutzen, weil sie eben gesetzlich vorgegeben sind oder weil sie eben von den einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten dann in irgendeiner Art und Weise umgesetzt werden. Und deshalb sehe ich den Konsumenten und die Konsumentinnen durchaus in einer Schlüsselposition, aber eben nicht in der Position, wo man hier die ganze Verantwortung abladen kann und sagen kann: Naja, aber die kaufen sie am Schluss.
Anja: Oder eben auch nicht. Also Hintergrundgespräche, die ich jetzt die letzten Wochen geführt habe im Rahmen einer Aktualisierung des Research Papers zum Thema Nachhaltige Lebensmittelverpackungen, haben mich häufiger hören lassen, dass der Handel und dann in Erweiterung des Handels eine fiktive Haltung dem Verbraucher untergeschoben wird, dass er bestimmte Abstriche nicht machen will. Also er möchte nicht mehr zahlen. Die Farben sollen genauso glänzen, wie sie immer geglänzt haben, genau dieselbe Farbigkeit auch haben. Also kleines Beispiel die Milch Packung wird nachhaltig produziert plötzlich grau, aber keiner will doch eine graue Milch kaufen. Dann heißt es Na ja, Oatly macht aber doch graue Milch, da funktioniert es auch. Es gibt tausend solcher kleinen Scharmützel und ich interessiere mich jetzt wirklich mal für eure Beobachtung. Für mich, klar, ich habe so kleine Spots, wo ich sagen würde, da hab ich mich vertiefen dürfen aufgrund von Studien zu dem Bereich, Thema vegan oder eben Thema Verpackung. Da hab ich schon Bewegungen bemerkt, aber ich habe den Eindruck, es gibt so Scheinargumente, Magnus, du hast es ja schon gesagt gerade eben, dass dem Verbraucher nicht alles aufgeladen werden kann. Ist eure Beobachtung auch, dass es sich so die letzten zwei Jahre stark verändert hat? Oder bin ich jetzt ein bisschen zu optimistisch? Magnus?
Magnus: Ja, ich habe definitiv auch das Gefühl, ohne dass jetzt wirklich über Studien nochmal belegen zu können, dass sich durchaus die Verbraucherinnen da noch mehr in diese Richtung entwickeln und sagen, Ja, wir, wir nehmen das jetzt alles in Kauf. Das, was vermeintlich ja erstmal als Verzicht daherkommt, die graue Milch-Verpackung oder weniger Verpackung oder was auch immer, das vielleicht doch auch immer mehr sogar aktiv einfordern. Aber trotzdem, das bestärkt fast meinen Punkt, dass ich sage, am Ende wird die Entscheidung darüber, wie schnell wir in eine Transformation kommen, weiterhin den Verbrauchern um den Hals gehängt. Also die Unternehmen sagen Ja, jetzt wollen sie es, jetzt machen wir es auch. Vor drei Jahren wollten sie es noch nicht, deshalb konnten wir es da noch nicht machen. Das ist, glaube ich, immer die Richtung, in die das leider läuft.
Und vor allem muss man sagen, so wie die Verbraucher:innen jetzt entscheiden und das, was sie eben für sich priorisieren als das ist nachhaltiges Verhalten, das ist nachhaltiger Konsum, ich muss darauf achten, weniger Verpackung zu kaufen et cetera. Das sind, wenn wir uns mal ganz rational analysiert, eigentlich relativ kleine Hebel, über die man da spricht. Und denen kommt aber eigentlich medial auch die größte Aufmerksamkeit zu. Und das empfinde ich schon so, dass da insgesamt ein sehr großer Druck aufgebaut wird auf die Verbraucher:innen, seit Jahren schon, mit Themen, die da wöchentlich über diverse Verbrauchermagazine gespielt werden und immer den Verbraucher oder die Verbraucherin weiterhin in die Rolle des naja, du bist der und diejenige, die am Ende entscheiden und an dir hängt das alles, drücken. Und da können sich die Unternehmen weiterhin, und das tun sie auch schon seit längerem, dann oftmals freisprechen davon und sagen na ja, wir können es nur machen, wenn es auch am Schluss gekauft wird. Und deshalb geht’s erst jetzt. Beispielsweise, dass wir ökologischere Verpackungen einführen. Und das glaube ich eben nicht, weil ich glaube, sobald die Hersteller die Notwendigkeit und im besseren Fall sogar die Profilierung, Möglichkeiten und die ökonomischen Vorteile dahinter erkennen, muss ihnen der Verbraucher sogar ziemlich egal sein, sondern dann müssen sie das aus größerem Eigeninteresse heraus machen und nicht das Ganze anhand von Verbraucherumfragen immer noch weiter verschieben, bis sie sagen Naja, der Verbraucher ist aber immer noch nicht so weit.
Anja: Zu dem Thema ökonomische Vorteile von Nachhaltigkeit kommen wir sicherlich noch. Katharina, Ich bin mir sicher, mit dem Blickpunkt Wirtschaftspsychologie fällt dir zu dem, was Magnus gerade gesagt hat, noch was ein. Dieser Druck auf den Verbraucher, auf die Verbraucherinnen, was macht das mit uns?
Katharina: Also klar, es gibt mittlerweile die moralische Verpflichtung schon fast, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Man darf quasi gar nicht mehr sagen, dass einem das Thema selbst vielleicht weniger interessiert, dass Mülltrennung für einen gar nicht interessant ist. Also da wird man heute wahrscheinlich nicht nur schief angeguckt, sondern gleich angesprochen. Ich würde es trotzdem noch aus einer anderen Perspektive sehen, nämlich der Konsument hat ja auch eine gewisse Macht. Also nicht nur Druck auf der einen Seite, er muss es jetzt, sondern wenn sich Konsumenten einig sind und das werden sie ja immer mehr, dann üben sie ja eben auch den Druck aufs Unternehmen, also nicht auf eins, sondern auf die Unternehmerschaft aus, sich anders zu verhalten. Also neue Verpackung oder neue Produkte oder einfach nur abgewandelte Produkte zu etablieren. Ich habe mit einigen Verbrauchern gesprochen, die dann so das Gefühl hatten Na ja, ich alleine kann ja gar nicht so viel tun. Ich hab da mein Wocheneinkauf, der kostet 100 Euro. Der Hebel, den ich habe, der ist ja ganz klein. Aber ich denke, und dazu gibt’s ja auch wieder Studien, die auch schon zum Teil 20 Jahre alt sind, die Consumer Power, die Macht des Konsumenten, nicht des Einzelnen, sondern der Konsumentenmasse ist sehr, sehr groß. Dadurch, dass das Bewusstsein bei den Konsumenten in den letzten Jahren Richtung Nachhaltigkeit immer größer geworden ist, und Magnus sprach gerade von so einer Zeitschiene, die letzten drei Jahre finde ich sehr spannend, weil wir ja zwei davon in Corona-Zeiten verbracht haben. Ich denke, dass ist genau der Punkt oder genau der Fall.
Es werden sich immer mehr Verbraucher dessen bewusst, auch medial unterstützt, das sollte natürlich nicht in so eine Richtung abdriften, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlen, weil Leute, die sich unter Druck gesetzt fühlen, die haben kein gutes Gefühl dabei. Dann wird sozusagen mit dem eigenen Gleichgewicht was gemacht, sondern eher es sollte ein Stück vorher für einen selbst aufgehört werden mit dem Druck, sondern man sollte sich seiner Macht als Einzelperson, als Teil der großen Konsumentengruppe bewusst sein und kann Unternehmen dazu bewegen, etwas zu tun. Und das sehen wir ja im Moment auch dadurch, dass immer mehr Unternehmen sich bewegen, also nachhaltige Produkte, nachhaltige Verpackungen entwickeln.
Anja: Kannst du uns vielleicht noch, Katharina, so ein, zwei Trends nennen, mir fallen da sowas wie Precycling, Zero Waste, unverpackt, keine Ahnung ein, mit denen wir einen Hebel haben oder der vielleicht signifikant geworden ist in den letzten Jahren im Bereich nachhaltiger Konsum?
Katharina: Was mir im Moment total stark sehen, sind die Verpackungs-Geschichten, was du gerade schon angesprochen hast, Zero Waste oder Precycling, also ich sorge dafür, dass ich keinen oder so wenig wie möglich Müll produziere. Also ich versuche restlos zu konsumieren. Dieser Zero-Waste-Ansatz aus Konsumentensicht, der ist, wenn man es ganz eng betrachtet, natürlich unmöglich. Man kann nicht gar keinen Müll produzieren, aber so wenig wie möglich. Das ist schon ein guter sichtbarer Trend. Also die Personen schauen sich an: brauche ich Verpackung überhaupt? Thema Unverpackt-Läden. Ich gehe mit meiner eigenen Dose, mit meinem eigenen Glas, mit meinem eigenen Beutelchen einkaufen. Und die ganze Verpackung, die vielleicht sofort wieder im Müll zu Hause landet, ist gar nicht mehr notwendig. Das sehe ich als eine Entwicklung und das andere, was grad groß sichtbar wird, was Forscher auch schon in den Achtzigerjahren identifiziert haben, ist die Voluntary Simplicity, also freiwillige Einfachheit, die wir heute als Minimalismus kennen. Also was muss ich eigentlich noch besitzen? Die große Frage, brauche ich so viele Dinge oder reicht nicht auch weniger? Was meines Erachtens sehr stark verbunden ist mit den Ansätzen des ich leihe mir etwas, ich miete etwas. Das war vor ein paar Jahren mit Autos und Fahrrädern, Motorrädern üblich. Das geht mittlerweile auch über auf Kleidung und andere Segmente. Also ich denke dort liegt eine große Trend Bewegung. Wenn man so möchte.
Anja: Und Magnus, sind das jetzt zwei Trends, die man einmal durchdeklinieren könnte? Also einmal zu sagen, okay, Verbraucher achten darauf, möglichst wenig Müll zu produzieren, liebe Unternehmen, helft ihnen dabei. Oder die Verbraucher und Verbraucherinnen wollen eigentlich weniger besitzen, helft ihnen dabei, ist das das, was bei dir ankommt?
Magnus: Also definitiv sind diese Trends vorhanden. Ich bin mir selber nicht ganz sicher und kann es eben auch nicht so gut einschätzen, vielleicht hast du da, Katharina, auch valide Zahlen dazu, wie groß diese Trends am Ende wirklich sind oder ob wir hier weiter noch über eine Art von Bubble sprechen, weil wir merken schon im Moment diese Spaltung der Gesellschaft, die sich gerade abzeichnet. Es ist fast eine 50/50 Verteilung, sowohl was Nachhaltigkeitsthemen angeht, als auch was politische Themen angeht. Meine Hypothese ist, dass mindestens 50 Prozent der Bevölkerung noch lange brauchen werden, wenn überhaupt, bis sie sich mal aktiv mit solchen Themen wie No Waste auseinandersetzen würden. Und dann spielt das auch in die Richtung, dass ich sage: naja, das was den Verbrauchern an Druck auferlegt wurde, das wird da auch sichtbar, finde ich, weil das ist eine Art von hilfloser Reaktion am Ende zu sagen na ja, gut, dann muss ich den Konsum ja wohl komplett einstellen, zumindest den Konsum von Verpackungen, weil dann gibts ja wohl anscheinend keine bessere Lösung als zu sagen dann eben keine Verpackung mehr.
Und das wiederum müsste eigentlich die die Unternehmen schon viel früher auf den Plan rufen, weil sie sagen Na ja, wenn die Leute jetzt quasi gar nichts mehr von uns kaufen wollen, weil sie so eine Panik haben, irgendwas falsch zu machen, dann müssen wir uns doch mal hinterfragen und sagen Naja, welche Art von Verpackung bieten Ihnen denn dann bisher an und wie können wir da wirklich was verbessern? Weil natürlich ist Suffizienz und Verzicht ein wichtiger Baustein in dem Ganzen und wir haben eine Überkonsumation. Das ist definitiv in allen Bereichen da, auch im Bereich Verpackung. Aber nochmal, wenn man sich so insgesamt große Themen dieser Zeit ansieht und auch sowas ansieht wie Klimawandel, CO2 und das mal ausrechnet, dann wird man feststellen die Verpackung ist ein relativ kleines Spielfeld am Ende und darauf wird sich grad sehr stark fokussiert in diesen ganzen Bewegungen. Obwohl ich glaube, dass man das Thema Verpackung relativ leicht transformieren könnte im Vergleich zu anderen Dingen wie Mobilität oder Städteplanung, weil das eigentlich relativ kleine, kurze Zyklen sind. Und am Ende ist es auch gar nicht so komplex. Es gibt ein paar Materialien auf dem Markt, es gibt immer mehr neue auf dem Markt. Das ist eigentlich ein überschaubares Spielfeld, sodass man eigentlich diesen Druck von diesem Thema runternehmen könnte und damit eben auch von den Verbraucherinnen, die ja mittlerweile sich wirklich schon selber geißeln und dieses unverpackt einkaufen, das ist eben auch nicht für jeden Menschen einfach. Und es ist auch nicht für jeden Menschen freudvoll. Das ist für viele, wenn sie es wirklich durchziehen würden, macht es ihr Leben um einiges komplexer. Und das von den Leuten zu verlangen, von allen also, die das gerne machen, die da vielleicht wirklich auch für sich eine Bereicherung sehen.
Also Verzicht kann auch befreiend sein. Das würde ich definitiv unterschreiben. Aber natürlich geht da auch eine Spaltung auseinander, wenn man auf der einen Seite die Unternehmen, die klassischerweise ihre Lebensmittel verpacken und das tun sie ja auch aus Gründen, nämlich aus Schutzgründen. Das ist ja immer nicht nur der Marketing und der Marken-Aspekt, der da eine Rolle spielt, sondern es ist auch die Lebensmittelsicherheit und die Lebensmittel-Haltbarkeit und auf der anderen Seite eine Art von Trend, der sagt Verpackung per se ist böse und schlecht und ich glaube, das müsste differenzierter geführt werden und das kann man aber eben auch nicht von den Verbraucherinnen verlangen. Die haben natürlich eine gewisse Macht, aber die Macht muss da zum Tragen kommen, wo man sagt man möchte Veränderung. Sie möchten, dass das Ganze nachhaltiger passiert. Aber wie und mit welchen Lösungen, das kann man ja nicht den Verbrauchern zutrauen, dass die hier auch noch die Antwort geben, sondern es muss aus der Politik kommen. Es muss vor allem aus der Wirtschaft, aus den Unternehmen kommen, auf diese Nachfrage zu reagieren und zu sagen Okay, wir haben diesen Auftrag verstanden und jetzt sind wir aber am Zug, unsere eigenen Verpackungen in erster Linie noch nicht mal das ganze System. Weil natürlich ist jeder erst mal für sich selber verantwortlich, für sein Unternehmen so umzubauen, dass man sagt Naja, dann können wir das auch gewährleisten, dass unsere Verpackungen in der Zukunft um einiges nachhaltiger, wenn nicht sogar ein No-Waste-Produkt sind, weil sie eben vielleicht gar nicht mehr als endliche Ressource irgendwie im Umlauf sind, sondern im besten Fall halt in einem geschlossenen Kreislauf zirkulieren.
Und somit würde man den Verbraucher dann eben wieder aus dieser Verantwortungsposition rausnehmen und diesen Druck ein bisschen von ihm runternehmen, dass man sagt naja, aber du darfst schon weiterhin auch Verpackungen kaufen, wenn dir das hilft in im täglichen Leben.
Katharina: Da stimme ich dir absolut zu, Magnus, dieses entweder oder, dieses Absolute, das ist überhaupt nicht zielführend, sondern eigentlich muss, darf jeder so viel und so weit beitragen, wie er möchte. Und wenn du den Druck beschreibst, den einige Verbraucher fühlen, dann verstehe ich total, dass es ihnen quasi keine Freude mehr macht. Und auch dieser Aspekt Bequemlichkeit. Wir wissen oder wir sind alle ein Stück weit bequem im Einkaufen, im Konsumieren. Und das ist natürlich etwas, was dagegen spricht, wenn es für mich riesig komplex und aufwändig ist, unverpackt einzukaufen. Sei es, weil ich auf dem Land wohne und der nächste Unverpackt-Laden kilometerweit weg ist, dann werde ich das nicht ins Kalkül ziehen. Dennoch scheint es mir so zu sein, dass jeder für sich entscheiden darf und soll und aber sukzessive über die Jahre hinweg das Bewusstsein wächst, dass es wichtig ist, dass ich mich darauf konzentriere, dass ich nicht achtlos eine Plastiktüte nehme, um meine ohnehin schon verpackten Bananen nochmal einzupacken. Das hätten wir wahrscheinlich vor einigen Jahren in so einem Automatismus gemacht, weil es so üblich war. Und jetzt, langsam, aber sicher bewegt sich da was und die Leute werden quasi drauf hingewiesen, gestupst, genudged. Und jeder darf und soll so viel tun, wie er kann. Manchmal kann man mehr tun, als man gerade tut. Aber diese innere Motivation ist, glaube ich ganz wichtig und die Freude oder der Positivismus noch da dran. Sonst wird es zum Zwang und dann wird’s doof.
Magnus: Ja, absolut. Da gebe ich dir auch recht. Die Freiheit sollte jeder haben. Ich sehe die Freiheit dann noch nicht ganz vorhanden, wenn eben das Ganze etwas einseitig auch in der ganzen bisherigen Kommunikation funktioniert. Dieses Thema mit wie verhalte ich mich denn dann wirklich besser? Also was soll ich denn wirklich tun? Oder was kann ich tun? Was kann ich weglassen? Was soll ich mehr machen, um am Ende auch wirklich ein Ergebnis damit zu erzielen, dass dann wirklich was verbessert? So, und da sind die Verbraucher glaube ich im Moment auch sehr alleingelassen, da informieren sie sich über die verschiedensten Medien. Aber das, was da im Moment so nach vorne gestellt wird, eben dieses No Plastic, No Waste und so. Das kann ich nur nochmal betonen, wenn man jetzt z.B. das Ganze größer betrachtet. Und so funktionieren ja auch Ökobilanzen, die schauen sich ja ganz viele verschiedene Dimensionen an, was z.B. bei der Erstellung einer Verpackung alles an Umwelteinflüssen besteht. Fängt an von Wasserversauerung-Potenzial bei der Erzeugung, fängt an, von Sourcing, von Transport, von diesen ganzen Geschichten. Und das ist schon auch etwas, was sich auf unser alltägliches Leben übertragen kann. Und dann kann ich am Schluss schon sagen, wenn ich mich jetzt als Verbraucherinnen zu sehr auf das Thema Verpackung einschieße, dann übersehe ich vielleicht andere Dinge in meinem täglichen Konsumverhalten, die eigentlich einen viel größeren Hebel hätten in Bezug auf solche Größen wie CO2.
Das ist ja nun mal eine Größe, auf die man sich jetzt doch ziemlich einigen konnte, dass man sagt, das ist eine Maß Größe und da gibt’s ganz gute Vergleiche und die kann ich jetzt auch nur wiedergeben, die stammen nicht von mir. Aber es gibt in Wien die sogenannte Denk-Werkstatt und die, finde ich, bricht das immer sehr anschaulich runter in Autokilometer. Also die sagt immer, wenn ich einem Verbraucher klarmachen will, was er eigentlich für einen Impact hat mit seinem Verhalten, dann ist Autokilometer ne ganz gute Größe, weil das bezieht sich eben immer auf CO2-Ausstoß, auf Emissionen und das versteht auch jeder. Und die haben mal ausgerechnet, wenn man jetzt quasi ein Jahr lang auf alle Arten von Plastiktüten, Plastiksackerl, wie der Österreicher sagt, komplett verzichten würde. Also egal ob jetzt diese an der Obsttheke, die es mittlerweile nicht mehr gibt oder die klassischen Einkaufstüten, die es ja fast auch nicht mehr gibt. Aber wenn ich jetzt wirklich ein Jahr lang keine von diesen Produkten, von diesen Tüten mitnehmen würde im Laden und keine davon konsumieren würde, dann rechnen die das um und sagen das entspricht einem Äquivalent von 14 Auto Kilometern, die du damit einsparst. Die Person, die auf dem Land lebt und zum Unverpackt-Laden vielleicht tatsächlich auch diese 14 Kilometer fahren muss, die glaubt in dem, was man ihr in der breiten Öffentlichkeit vermittelt, dass sie damit jetzt etwas verbessert hat. Aber hat natürlich, und das kann sie auch gar nicht, diesen völligen Überblick, wie das in der Gesamtbilanz eigentlich aussieht. Und das ist im Moment das, was mich noch ein bisschen stört, dass die Verbraucher willig sind. Aber eigentlich fehlt es ihnen an den richtigen Antworten, die sie natürlich nicht selber für sich entwickeln können, sondern die müsste man ihnen stärker von außen geben und ihnen stärker klarmachen: Was hat welchen Impact und wie verhältst du dich am besten? So wie auch jeder natürlich jetzt diese Flugscham kennengelernt hat. Auch vor Corona war das ein Riesenthema, aber da fehlen natürlich am Ende auch Bewertungskriterien, um zu sagen Na ja, was hat denn das wirklich für eine Auswirkung? Und was hat z.B. deine Heizung im Keller überhaupt für einen CO2-Ausstoß? Und könntest du nicht mit dem Austausch deiner Heizung im Keller einen zehnfachen Effekt erreichen von dem, was du jetzt quasi versuchst mit einem Verzicht auf Verpackung Jetzt haben wir heute natürlich das Thema Konsum. Da macht man sich schnell das Bild von der Verpackung. Aber ich glaube, Konsum ist eben auch breiter zu denken. Und da ist die Verpackung dann wie gesagt wirklich nur eine kleine Baustelle.
Anja: Ja, da kommt mir so in den Kopf eine Vision von einem Nachhaltigkeits-Rechner quasi, wo ich eingeben kann: das und das mache ich. Was ist mein Effekt? Also der übliche CO2-Fußabdruck der in der Realität durch so eine verkuddelte Maßnahmen-Diskussion, wie du schon sagst, man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht, ein bisschen verwässert wird. Also es sind ganz viele Einzelmaßnahmen, die man macht. Je nach Neigung setzt man es um oder nicht. Also ich glaube bestimmte Gruppen wachsen an in ihrem Bewusstsein. Wir haben aber auf der anderen Seite immer noch prekär lebende Menschen, die jetzt durch die steigenden Energiepreise ganz banal noch auf einer ganz anderen Sorgen-Ebene unterwegs sind als die Frage, wie groß ist mein CO2-Fußabdruck. Und dann kommt die Kompliziertheit dieser Debatte noch dazu. Als von außen betrachtet ist für mich, die jetzt auch keine Naturwissenschaft studiert hat, an manchen Stellen dann Ende Gelände. Also dann kann ich selber ja gar nicht mehr ganz abschließend beurteilen. Mach ich hier jetzt mehr oder mach ich das jetzt besser? Was ist jetzt mein Beitrag? Und in der großen Diskussion ging es vor ein paar Monaten nochmal, als dieser Exxon Bericht auftauchte, dass man sich als Erdöl-Unternehmen schon in den achtziger Jahren das alles hat ausrechnen lassen, wie es endet und dann ein Narrativ gesponnen worden sei, das sozusagen die Verantwortung auf die Schultern des Verbrauchers und der Verbraucherinnen gelegt hat. Da ging das mir schon nochmal durch den Kopf, dass diese Frage nach der Individual-Verantwortung und der Kollektiv-Verantwortung ungünstig austariert sind. Also es klang jetzt bei euch ja an verschiedenen Stellen durch, diese Informations-Holschuld, die gerade irgendwie so gilt. Also du als einkaufende Person musst dich selbst schlau machen oder auch mal ohne einkaufen. Also du als Person, mach dich bitte selbst schlau, wie du am besten dafür sorgen kannst, dass die Welt nicht untergeht. Es ist schon massiv und deswegen jetzt die Frage an beide habt ihr eine Idee wie aus so einer, es ist eine für mich immer noch eine Schuldzuweisungs-Debatte, habt ihr Projekte oder habt ihr Ideen? Du hast es ja gerade mit dieser Denk-Werkstatt in Wien schon beschrieben. Habt ihr Beispiele dafür, wie man aus so einer Denk-Rochade mal rauskäme und einfach sagt okay, das sind jetzt für dich als Person oder für dich als Unternehmen die 3, 4 besten Maßnahmen die du machen kannst. Und dann ist gut. Habt ihr da Beispiele, wo das schon gelingt? Oder vielleicht auch Ideen, wie es gelingen kann?
Katharina: Ich habe jetzt keine konkreten Projekte, aber ich merke, dass die junge, sprich ganz junge Generation, unsere Kinder, zum Teil unsere kleinen Kinder, dass die dieses Thema ganz anders angehen. Sprich für die wird das wieder selbstverständlich. So wie es für unsere Großeltern selbstverständlich war, mit Ressourcen, die ja einfach knapp waren, sparsam umzugehen, weisen uns jetzt unsere Kinder auch darauf hin, dass innerdeutsche Flüge eigentlich indiskutabel sind a la Generation Greta. Vielleicht ist das so ein Thema, wo man anfangen kann, nämlich die Bewusstwerdung der Thematik Nachhaltigkeit in den Schulen, in den Kindergärten letztendlich schon stärker in den Mittelpunkt zu rücken, um dann nicht wieder anfangen zu müssen in dieser Schuld-Debatte. Weil die bringt uns nicht weiter, wenn die Konsumenten sagen, die Unternehmen müssten und wenn die Unternehmen sagen, die Politik müsste und wenn die Politik sagt, noch jemand anders müsste, dann sind wir an einem nicht mehr lösbaren Zirkel, sondern alle versuchen so viel wie möglich selbst zu tun, ohne sich davon beeindrucken zu lassen. Und das ist furchtbar schwer. Klammer zu. Das es vielleicht nicht genug oder nicht das Richtige sein könnte.
Das hat Magnus ja jetzt auch sehr eindrucksvoll beschrieben. Also wenn ich anfange, ein schlechtes Gewissen zu haben wegen Umwelt, nicht umweltgerechter Einkäufe, dann bin ich in einer Spirale, die eher nach unten führt, sondern diesen Positivismus in den Mittelpunkt zu rücken. Und es gibt einzelne Projekte, die das machen. Also die Themen Wie kann man denn, welche Teile kann man denn in seinem eigenen Konsumleben verbessern, ohne sagen zu müssen: Ja, das reicht noch nicht, sondern eher so diesen Blick vermitteln: Tu so viel du kannst. Und das ist schon mal super. Und dann entwickelt sich daraus vielleicht auch mehr. Unseren Kindern gelingt es glaube ich ganz gut, indem sie einfach anfangen und gar nicht so viel drüber nachdenken, was sie es dürfen, nicht dürfen, wo der größere und kleinere Hebel ist, sondern es intrinsisch mitnehmen und eben keine konkreten Zahlen und Ökobilanzen entwickeln wollen, sondern es einfach machen.
Anja: Ja, das hast du dann noch ein Beispiel, Magnus?
Magnus: Ja, ich würde mal eins weiter oben ansetzen. Weil ich glaube, selbst mit Beispielen wird man jetzt nicht schaffen, dass man die ultimative Lösung oder die ultimative Empfehlung geben kann, weil die jeweilige Lösung kann sehr individuell aussehen. Die kann auch von Verbraucher zu Verbraucher unterschiedlich sein, was jetzt wirklich das nachhaltigere, der nachhaltige Lebensstil ist. Ich glaube, wenn man es nochmal die Ebene höher betrachtet, dann sind es ja immer im Grunde drei Akteure. Das ist einmal die Politik, das ist die Wirtschaft und das ist die Verbraucherin. Und ich glaube, nach wie vor kann man der Verbraucherin da am wenigsten zumuten in dieser ganzen Diskussion. Die möchte sich nachhaltig verhalten. Aber man kann eben ihr nicht auferlegen, dass sie wissen muss, wie das zu passieren hat.
Das heißt, es wäre wünschenswert, dass noch mehr von der Gesetzgebung hier vorgegeben wird, eher als allgemein formulierte Ziele. Jetzt auch nicht im Sinne von Verbote: Das darf man in der Zukunft noch und darf man nicht mehr. Sondern eher, dass man wirklich einmal klar ein Ziel steckt. Und dann kann jedes Unternehmen für sich einen Weg finden. Und ich glaube, das ist vielleicht auch, dass das, was am meisten zielführend sein kann, dass jedes Unternehmen dann wirklich auch für sich selber diese Verantwortung mal annimmt und sich dann selber in den eigenen Prozessen und in dem eigenen Tun hinterfragt und das im Endeffekt dann einmal so objektiv verändert, dass man sagt: Okay, ich als Unternehmen mach dann um so viel Prozent Dinge besser, trage auch dazu bei, dass dieses übergeordnete Ziel eben realistischer wird, dass das erreichbar wird und das, was ich anbiete wiederum das ist ja eh das, was die Verbraucher eigentlich möchten. Die möchten ja besseren Konsum, nachhaltigen Konsum.
Und ich glaube, das ist nach wie vor so, dass das Dreieck im Moment zu sehr umgedreht ist und zu sehr mit dem ganzen Gewicht auf der Verbraucherin lastet. Und das kann eben nicht sein, sondern es muss aus allen drei Ecken gezogen und gedrückt werden und die Unternehmen sollten, um jetzt einmal konkrete Projekte zu nennen, durchaus in das Thema Öko-Bilanz investieren, durchaus nachdenken, was für sie wirklich als Unternehmen, die die beste Lösung sein kann, auch im Bereich Verpackung, um es konkret zu machen. Weil da weiß man relativ gut, dass das eigentlich als pauschal gute Strategie zu betrachten ist, das da dasThema Mehrweg-Verpackung relevant ist. Das trifft auch wieder diesen Unverpackt-Lifestyle. Und eigentlich in jeder Dimension der Nachhaltigkeit und der Ökobilanz schneidet das gut ab. Und das ist auch was, was die Gesetzgebung z.B. wieder stärker forcieren könnte, was gerade auch ein bisschen mehr wieder passiert. Also Mehrweg-Verpackungen sowohl im B2B-Bereich als auch in B2C-Bereich sind etwas, da glaub ich, das wird jetzt auch stärker kommen. Das bildet sich auch gerade ab. Also es gibt immer mehr auch wieder Mehrweggläser, teils für Nussmischungen und für andere trockene Lebensmittel, was natürlich schon auch für den Verbraucher wieder ein bisschen mehr Komplexität bedeutet. Dann auch wieder Pfand-Gläser zurückzubringen. Aber der ist ja eh gerade gewillt das das er was tut und das was beiträgt und das ist was, wo ich sage, da könnte man insgesamt vielleicht sogar auch mehr erreichen als jetzt den Versuch zu wagen, dass man Verpackungen ganz weg rationalisiert.
Aber das ist eben etwas, was man nur über eine objektive Betrachtung feststellt. Und da würde man auch in der öffentlichen Diskussion jetzt schnell wieder eine 180-Grad-Wendung hinlegen, weil im Moment alles Richtung kein Plastik und keine Verpackung läuft und irgendwie angezündet wurde durch mediale Berichterstattung der letzten Jahren. Und die muss man jetzt erstmal wieder abbremsen und sagen Moment, das haben wir uns mal ordentlich angeguckt und dann festgestellt, es gibt vielleicht auch andere Lösungen und die sind vielleicht sogar besser. Aber das ist natürlich jetzt ein großer Wendekreis, den man da als Gesellschaft und als Wirtschaft fahren muss, um dann das wieder alles in die Richtung zu bekommen. Aber das ist schon wichtig, dass die Verbraucher laut sind und dass sie das einfordern, aber dass sie eben nicht diejenigen sind, die Lösungen vorgeben. Und da dürfen die Unternehmen sich auch nicht darauf verlassen und sagen Ja, aber die Verbraucher wollen jetzt alle kein Plastik mehr, sondern da muss man als Wirtschaft selber sich dann das eigene Unternehmen vornehmen und sagen: wenn für uns die Lösung weiterhin Plastik heißt, weil wir es eben analysiert haben, weil wir festgestellt haben, das bringt uns am meisten, das bringt der Gesellschaft am meisten, weil wir damit am meisten CO2 einsparen oder die ganze Wertschöpfung besser kontrollieren können. Dann ist es eben so. Und dann ist es am Ende wieder eine Vermittlungsfrage. Und da kann die Politik einerseits unterstützen bei dieser Vermittlung aber auch noch mehr fordern.
Anja: Ich glaube, das ist nochmal ein guter Punkt mit der Vermittlung. Einige zu viele gebrochene Versprechen. Einige zu viele Beispiele von Greenwashing haben in den letzten Jahren Vertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zerstört. Und wir stehen an einem Punkt. Man sieht es ja, kleine Startups haben oft Vertrauensvorschuss, kommunikativ fangen die auf der grünen Wiese an und haben es dann oft leichter, haben aber nicht die Marktmacht, da jetzt einen großen Shift hinzulegen und zu sagen: So, das ist jetzt für deinen nachhaltigen Einkaufskorb ein wesentliches Mittel. Die sind auch oft jetzt vom Ökonomischen, da kommen wir ja gleich nochmal drauf, für eine kleinere Bubble gebaut. Wenn ich jetzt an die unzähligen veganen und nachhaltig produzierten oder verpackten Lebensmittel denke, die mir meine Tochter gerne mal in den Einkaufskorb legt. Da weiß ich Oh ja, ich muss mich in meiner Projektarbeit wieder anstrengen, damit Geld reinkommt. Es ist schon auch noch ein Differenzierungsmerkmal gerade und das hängt mit dem Vertrauen ab. Es gibt so bestimmte Unternehmen, bei denen würde ich gar nicht auf die Idee kommt, drüber nachzudenken, ob die wirklich ernsthaft nachhaltig sind, weil sie Kredit verspielt haben in den letzten Jahren. Und da frag ich mich manchmal schon jetzt vielleicht auch nochmal eine Frage an dich, Katharina als Wirtschaftspsychologin: Wie kann ein Unternehmen eigentlich also ein etabliertes, großes, dickes Unternehmen, ich will jetzt hier keine Namen nennen, aber das nun mal relativ präsent in deinem Warenkorb sein könnte, weil es ganz viele Produkte anbietet, hat aber ein schlechtes Image. Weil es Wasser teuer verkauft oder weil es Zuckerwasser verkauft, oder was weiß ich. Wie kann da eigentlich ein Shift gelingen? Weil ich glaube, Verbraucher wollen nicht so sehr viel nachdenken. Die wären glaub ich froh, wenn sie in den Laden gingen und wüssten, das, was mir jetzt angeboten wird, wenn da Nachhaltigkeit draufsteht, dann ist da Nachhaltigkeit drin und ich kann dem vertrauen. Das wäre aus meiner Sicht ein Riesenhebel. Aber ich persönlich steh da so ein bisschen wie der Ochs vorm Berg. Wie kann man eigentlich so eine 180-Grad-Wende da hinbekommen? Als Unternehmen selber, hast du einen Tipp?
Katharina: 180 Grad Wendungen sind immer schwierig, der Weg der kleinen Schritte ist sicherlich denkbar. Und wie du schon angesprochen hast, die Verbraucher sind, was Nachhaltigkeit oder Bio oder ähnliche Themen angeht, durch etwaige Skandale, die auch medial entsprechend aufbereitet wurden manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht sehr, sehr skeptisch. Also die gucken heute auch zwei, dreimal und ganz genau hin. Und mein Tipp für Unternehmen ist immer: bevor ihr was macht, egal was es ist, sorgt dafür, dass es auch wirklich so ist. Also dass die Behauptungen, die in Werbekampagnen, in Verpackungen oder anderswo präsentiert werden, dass euch die nicht irgendwann um die Ohren fliegen. Wenn das nämlich einmal passiert, ist es furchtbar schwierig, das wieder geradezurücken. Also wenn was getan wird, dann soll es keine Behauptung sein, sondern dann soll es fundiert sein. Und dann würde ich lieber einen Schritt weniger tun, als dass ich einen großen Schritt behaupte, der dann im Nachhinein als unwahr sich herausstellt.
Und wie du schon sagst, die Startups, die anfangen, die haben ein wenig Vertrauensvorschuss. Die haben einfach noch kein Setting als Marke im Kopf der Verbraucher. Da kann man ganz jungfräulich und unverblümt drauf zugehen und es ausprobieren. Wir kennen ja auch genug Startups, die mit großen Behauptungen anfangen und dann wieder weg sind. Das merkt man zum Teil gar nicht, weil es so viele sind. Da fällt es quasi gar nicht so auf. Aber die sind ein bisschen frischer und aktiver und trauen sich mehr, können sich auch mehr trauen als große Unternehmen. Die Großen müssen quasi einerseits ein bisschen vorsichtiger sein, weil sie ja ein Heritage, ein Erbe haben, was sie zu vertreten haben. Also die können nicht als große Marke 50 Jahre das Thema X bespielt haben, was nichts mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Und heute behaupten sie, wir sind die nachhaltigsten schlechthin. Also das kann nicht glaubwürdig sein. Aber so ein langsamer Wechsel, ein nachvollziehbarer, glaubwürdiger. Und heute sagt mir immer wieder authentischer Wechsel hin Richtung, ich bin immer mit dem Begriff Nachhaltigkeit so ein bisschen vorsichtig, weil der fast schon zum Buzzword geworden ist. Ich benutze halt gerne dieses langlebig oder langfristig, obwohl der nicht so hipp ist der Begriff. Aber wir tun etwas. Also wir denken darüber nach, es ist uns nicht egal. Das denke ich, kann einen guten Einfluss haben. Aber eigentlich würde ich das gerne auch mit Magnus diskutieren, der ja als Marken Experte viel tiefer im Marken Thema drin steckt.
Magnus: Ja, also du hast den Begriff der Nachhaltigkeit ja gerade nochmal in den Ring geworfen. Ich versuche ihn gerne immer auch als als Zukunftsfähigkeit zu verkaufen den Unternehmen, die es verstanden haben. Und so war Nachhaltigkeit ursprünglich auch mal gedacht, eben vom damaligen Begründer der Nachhaltigkeit, der eben gesagt nicht so viel aus dem Wald rausnehmen wie nicht nachwachsen kann. Und das gilt ja auch für jedes Unternehmen. Und es gilt eben speziell für die großen Unternehmen mit langer Historie, mit gewachsenen Strukturen, dass man sagt, Naja, aber ihr müsst euch jetzt zukunftsfähig, also spätestens jetzt zukunftsfähig aufstellen. Und da merkt man oft noch den Unterschied zwischen inhabergeführten Unternehmen und Unternehmen mit einem eingesetzten Management, weil die eben in sehr kurzfristigen Zyklen denken, auf die eigenen Boni gucken, auf die nächste Jahreszahl gucken und der Inhaber oftmals dann Entscheidungen trifft, die wirklich immer für eine langfristige Perspektive stehen. Und das glaube ich, verstehen aber Marken, die lange am Markt sind, schon auch, dass sie durchaus nach vorne schauen müssen und nicht nur im Moment und nicht von der Historie leben können. Und deshalb glaube ich, ist es für die absolut essentiell. Man räumt denen vielleicht glaube ich auch ein bisschen länger Zeit ein, weil die Verbraucher:in das durchaus auch versteht, dass sie sagen, Ja, das ist ein Riesenladen, die müssen sich erst mal umstellen. Aber irgendwann wird der Druck dann erhöht. Rein durch den Wettbewerb und weil eben viele Kleine nachkommen, die es von Anfang an gut machen und besser machen und die eben auch die Möglichkeit haben, aus einer wirtschaftlichen Überlegung heraus, während die großen Unternehmen ja oftmals so gestrickt sind, dass die Wertschöpfungsketten ausgelagert sind, dass das alles optimiert ist bis ins dort hinaus auf den letzten Nachkommabetrag ist das alles durch optimiert und die haben natürlich Riesenprobleme, wenn sie sowas von heute auf morgen umstellen möchten. Das geht natürlich auch gar nicht.
Aber ja, ich bin auch der Meinung, die Glaubwürdigkeit kommt über die Authentizität. Das, was man tut, muss auch so sein. Da gebe ich dir völlig recht. Katharina, ich würde sogar noch eins weitergehen und sagen das, was man tut, muss eben auch das Richtige sein. Und das muss eben das Richtige sein fürs jeweilige Unternehmen. Und ich glaube, das merkt man am Ende eben auch, wenn hier ein Unternehmen eine authentische Entscheidung trifft und eben, ich bringe das Beispiel nochmal, sagt: Na, wir setzen aber weiterhin auf Kunststoff, weil wir haben das wirklich komplett durchanalysiert und wir haben für uns festgestellt, Kunststoff ist für uns die beste Lösung in unserem ganz individuellen Distributionssystem, in unserem Kreislauf, mit unserem Sourcing, mit unserem Verkaufs Gebiet und auch in Bezug auf den Lebensmittelsschutz ist das das Beste. Dann müssen Sie nur noch mutig genug sein, um diese Entscheidung auch zu vertreten und dafür auch dann zu stehen und nicht umzufallen und einem gerade aktuell grassierenden Trend hin zu Papier statt Plastik oder hin zu Einwegglas statt Mehrwegglas verfallen, weil das eben den kurzfristigen Erfolg bringen würde, langfristig aber auch nur für eine kurze Zeit funktioniert, weil da kommen wir immer mehr an Punkte, wo das auch in Frage gestellt wird. Das sind jetzt die NGOs, vielleicht als vierter Player noch zu nennen, die natürlich dann auch immer so ein bisschen das objektive Auge drauf haben und dann auch irgendwann ankreiden und sagen Ja, aber das ist doch hier Greenwashing immer noch. Und zwar zum wiederholten Mal. Und das darf dem Unternehmen nicht passieren, dass jemand von außen schlauer ist und einen stärkeren Einblick hat und ihnen quasi auf dem Papier aufzeigen kann, dass das, was sie als vermeintliche nachhaltige Lösung angeboten haben, eigentlich wieder nur eine Verschlimmbesserung ist. Das müssen die Unternehmen selber in den Griff bekommen und das könnten sie eigentlich. Es können sowohl die Großen, die große Forschungsabteilungen haben, als auch die Kleinen, die mit sehr viel Herzblut und sehr viel Ambition an die Sache herangehen, die sich dann eben selber Zulieferer suchen. Kleine Hersteller suchen für ihre Verpackungen. Eigentlich können es beide und der das dann immer noch macht, aus einem falschen Gewinnstreben heraus, dass er sagt, jetzt möchte ich erstmal das nächste Gewinnjahr gut über die Bühne bekommen, der wird hoffentlich zu Recht dann immer einen auf die Finger bekommen.
Anja: Ja, das ist glaube ich ein wichtiger Punkt. Also Authentizität, das richtige tun, ist tatsächlich eine komplexere Frage. Da können dann auch ein Experte wie Magnus oder eine Expertin wie Katharina ganz gut aushelfen. Also daran können wir jetzt auch live schon mal zeigen, wie so eine Arbeit, eine externe wissenschaftliche Begleitung funktionieren kann. Weil meine Erfahrung ist, tatsächlich ist oft diese Ratio in wirtschaftlichen Prozessen jahrelang geübt, natürlich mehr vorrangig ökonomisch, und Nachhaltigkeit und ökonomisch ist noch so ein ungleiches Paar.
Also man sagt dann oft Ja, wir würden gerne wird aber dann drei Cent teurer und damit ist schon alles vorbei. Wird auch erst genau so platt gesagt: der Verbraucher will eigentlich gar nicht mehr zahlen. Also das sind so Loops, die laufen, die hinterfragt niemand mehr. Frage Eins wäre nochmal an dich Magnus, du entwickelst ja für jetzt zum Beispiel Bio-Lebensmittel aktiv Verpackungen sind die immer teurer und Frage 2: Ist das überhaupt noch wichtig, wenn wir als gesamtgesellschaftliche Anstrengung uns irgendwann auf Nachhaltigkeit geeinigt haben? Und dann gibt’s halt ein Preis für Nachhaltigkeit?
Magnus: Ich würde es mal umdrehen. Also ich glaube, das mit der wirtschaftlichen Bedeutung, das kann eben durchaus auch gesteuert werden von der Politik, indem man sagt na, gewisse Maßnahmen kosten dann aber halt wenn du, wenn du etwas nicht erfüllst oder wenn du dich dann doch wieder nicht nachhaltig verhältst, dann haben wir hoffentlich bald genug Regulatorien, die einem dann das trotzdem so vermiesen und zu teuer machen, dass man sagt Naja, rein aus Kostendruck heraus ist es dann doch wirtschaftlich, das alles zu überdenken und eine Transformation einzuleiten. Das ist aber immer dieses Folg- Prinzip. Ich versuche immer eigentlich, und die meisten Unternehmen, die mit mir in Kontakt treten, haben das schon selber verstanden, nicht die Pflichterfüllung nach vorne zu stellen, sondern die Profilierung. Also du kannst dich derzeit immer noch mit einer neuen, innovativen, nachhaltigen Lösung als Unternehmen wirklich profilieren. Und du kannst eben dadurch, wenn du es richtig anlegst, schon auch einen wirtschaftlichen Vorteil generieren, der zwar vielleicht nicht im ersten oder im zweiten Jahr zum Tragen kommt, die aber eben eine gewisse Langfristigkeit in sich birgt.
Das sehen wir unter anderem jetzt bei diesen Material-Kreisläufen wie PET, also PET ist gerade ein unglaublich gefragtes Material. Das möchten alle Branchen haben. Und die Getränke Branche, wo das Material ja eigentlich ursprünglich eingesetzt wird seit vielen Jahren schon hat gerade Probleme, dann überhaupt wieder Recycling-PET zu bekommen, weil das abwandert an die Textilindustrie, weil es abwandert an die Kosmetikindustrie. Jeder möchte dieses Material haben, weil es gerade eine einfache Lösung ist. Da gibts irgendwo Recycling-Material, das ist anerkannt, ist zertifiziert, das möchte ich auch. Und die Getränkebranche fängt jetzt mittlerweile auch an, logischerweise sich diese Zyklen selber aufzubauen. Und ein Handelskonzern, nenne jetzt auch keine Namen, aber ein großer deutscher Handelskonzern beginnt jetzt auch selber in den eigenen Läden diese Zyklen selber zu bauen und zu sagen über unsere Pfandautomaten sollen möglichst unsere Verpackungen zurück gebracht werden, damit wir selber dieses Material besitzen. Und da kann halt schon auch ein echter Vorteil liegen, dass man sagt, Material-Hoheit liegt dann beim jeweiligen Unternehmen. Also du hast einmal überlegt, welches Material ist das Beste und dann schaffst du es irgendwie in den Kreislauf, dass das irgendwie dein Eigentum bleibt und die Verpackung zwar dann zirkuliert, aber letztlich kommt alles zu dir zurück. Das sind natürlich insgesamt ganz neue Systeme, die da gedacht werden müssen, weil die einfach nicht mehr funktionieren wie ein linearer Kreislauf oder eine lineare Kette, wie das bisher lange der Fall war. Aber wenn man das mit einer Zukunftsperspektive angeht, dann ist das am Ende ein riesen wirtschaftlicher Vorteil und es gibt’s fertig ja auch schon.
Die angesprochenen Mehrweg-Systeme sind auch nichts anderes. Da gibt’s jetzt auch wieder Brauer, z.B. große deutsche Brauer, die sich wieder zusammenschließen und sagen, lasst uns wegkommen von diesen Individual-Flaschen. Also jeder macht seine eigene Flasche, die dann aber quasi ein Einwegprodukt ist, hin zu wir nutzen wieder ne Pool-Flasche und alle haben die gleiche und so können wir wieder regionale Kreisläufe umsetzen. Die Flaschen machen kürzere Wege, die Flaschen können, wenn sie 15-mal zirkulieren, wirklich auch mit jedem anderen Verpackungsformat mithalten, was die Ökobilanz angeht. Und letztlich ist es ein riesen wirtschaftlicher Vorteil das so zu machen. Wir müssen uns nur irgendwie darauf einigen.
Jetzt hab ich ein bisschen die ursprüngliche Frage aus dem Kopf verloren.
Anja: Die Frage war für mich zum einen, ob der ökonomische Druck, ob das bei einer Verpackung real ist. Das hast du ja im Grunde schon zum Teil beantwortet. Und die andere Frage ist, ob Nachhaltigkeit nicht an sich Kosten mit sich bringt, die wir als Gesellschaft einfach tragen lernen bzw. der schöne Satz, nicht nachhaltig ist dann noch teurer irgendwann, gilt.
Magnus: Genau und da kann ich jetzt von dem, was ich gerade gesagt habe, schon nochmal die Antwort ein bisschen ableiten. Es ist es schon so, wenn man sagt man sieht auch in dem Invest in die Verpackung eine Art von Invest in die Zukunft, dann ist es natürlich im ersten Moment teurer. Und das sind wirklich Verpackungen, die außerhalb des bestehenden Systems funktionieren. Die sind wirklich noch teurer, weil sie sich noch nicht wirklich etabliert haben, weil es noch wenige Zulieferer für dafür gibt, weil man oft noch große Mengen bestellen muss. Also kleine Marken haben es oft schwer, die vielleicht nur 10 000 Stück von der Verpackung brauchen, das überhaupt in der Menge zu bekommen, weil die die Großhändler am liebsten gleich 20, 50, 100 000 Stück verkaufen würden. So, also im Moment sind solche Lösungen immer teuer. Aber das bringt mich wieder zurück zu dem Punkt, dass man sagt naja, vielleicht sind das aber oftmals gar nicht die besseren Lösungen. Wenn ich quasi eine Lösung außerhalb des Systems schaffen muss, ist das immer teuer. Aber vielleicht liegt die Lösung im System und sowas wie eine Mehrweg-Verpackung, was in einem bestehendes System funktioniert. Da wo ich jetzt gar nicht so viel neu entwickeln muss, wo ich auch nicht komplett neue Sourcing-Wege mir erschließen muss und Anlagen umrüsten muss und so. Und genauso kann man auch sagen in der bestehenden Materialität Kunststoff in seinen verschiedenen Arten gibts eigentlich auch ein bestehendes System. Und da hab ich im Endeffekt dann keine Mehrkosten, wenn ich sage ich setze da jetzt mehr Recycling-Material ein. Wenn in der Zukunft auch insgesamt die Menge an Recycling-Material, an verfügbarem, mehr wird und davon kann man ausgehen und ich bin selber jemand, der auch dazu beiträgt, dass eben hochwertiges Material auch immer wieder zurückkommt, dann ist das mittelfristig so, dass sich das System ja irgendwann auch selber trägt und im besten Fall amortisiert, während wenn ich jedesmal drauf angewiesen bin, einen neuen Rohstoff zu einem Neupreis quasi einzukaufen, als jungfräuliches Virgin Material neu einzukaufen. Da bin ich natürlich auch von den Weltmarktpreisen sehr stark abhängig. Ich glaube, da liegt dann so ein bisschen die Balance. Und dann ist es tatsächlich eher wieder eine komplexe Frage, eine individuelle Frage. Aber grundsätzlich gebe ich dir recht, alles, was man jetzt so als vermeintlich nachhaltige Verpackung erst noch wahrnimmt. Biokunststoff et cetera, pflanzenbasierte Kunststoffe, die sind gerade noch teurer als die konventionellen.
Anja: Das darf dem Verbraucher, der Verbraucherinnen aber irgendwie auch egal sein. Katharina, siehst du jetzt mit Blick auf den Begriff nachhaltiger Konsum oder das Phänomen nachhaltiger Konsum, wenn du jetzt, sagen wir mal, in fünf Jahren guckst, siehst du da eine klare Entwicklung, das ist dann der Standard, da hat sich das etabliert. Oder meinst du, das könnte auch wieder verschwinden wegen der benannten ökonomischen Faktoren vor allem? Es ist jetzt nicht so, dass man sagen kann allen Leuten geht es so gut wie uns dreien jetzt gerade hier.
Katharina: Man sagt ja auch immer Nachhaltigkeit muss man sich leisten können. Ich glaube nicht, dass das Thema verschwinden wird. Dazu ist es einfach zu essentiell, zu wichtig. Wir werden uns dauerhaft damit beschäftigen und in unserer Generation, in der nächsten und übernächsten auch. Und allen, die danach kommen, sicherlich auch. Also von daher, nein, ich glaube nicht, dass es verschwinden wird. Ich glaube allerdings, dass die Art, wie wir uns damit beschäftigen, sich ändern wird.
Ich würde gern nochmal einen Punkt aufgreifen, das Thema Preis. das ist ja eins der entscheidenden auch bei den Konsumenten. Ich denke, dass die Preise, die zum Teil am Markt existieren und ich gehe jetzt mal ein Stück weg von Lebensmitteln, sondern vielleicht in die häufig zitierte Bekleidungs- und Modeindustrie. Die Preise sind ja so kalkuliert, zum Teil, dass sie eben nicht die Realität widerspiegeln. Also sind denn alle Kosten einkalkuliert? Wenn ich ein T-Shirt für drei Euro kaufen kann? Nein, sind sie nicht. Denn das, was danach kommt, die Kosten für die Entsorgung, die Kosten für das, was danach mit dem T-Shirt passiert, die sind eben nicht einkalkuliert. Und die trägt ja auch jemand. Die sind halt nur nicht monetär für den Verbraucher sichtbar. Und das ist was, das werden wir wahrscheinlich in Zukunft noch lernen müssen, vielleicht schmerzlich lernen müssen bzw. das Bewusstsein entwickelt sich ja jetzt schon langsam, dass einige Dinge nicht so teuer sind oder eigentlich viel teurer sein müssten, als sie auf dem Preisschild, im Supermarkt oder anderswo ausgepriesen sind. Ich hab eine Zeitlang beispielsweise in Italien gelebt. Dort sind Lebensmittel per se viel teurer, zum Teil eben auch hochwertiger und dort ist es einfach auch eine Gewohnheitssache. Also ich glaube an ganz vielen Stellen, dass wir zum Teil sehr verwöhnt damit sind mit den Preisen, die künstlich reduziert worden sind. Aber irgendjemand zahlt eben die Zeche, wenn wir es jetzt mal ganz platt ausdrücken wollen.
Das sind dann eben nicht die Verbraucher und sicherlich auch nicht die Unternehmen, sondern das ist platt gesagt die Umwelt oder die Allgemeinheit, die Gesellschaft und das ist einfach noch nicht einkalkuliert in dem Preis. Authentische Preise. Wir werden an einigen Stellen erschrecken, was authentische Preise werden oder wären und würden sagen. da haben die Unternehmen aber jetzt mächtig zugegriffen. Aber wenn man das mal ganz realistisch betrachten würde, dann kann wie gesagt ein T-Shirt nicht drei Euro kosten, was irgendwo in Asien produziert wurde. Dummerweise tut es das aber und wir haben das Gefühl passt und erwarten, dass es lang hält. Ne, und das tut es nicht. Nach dem ersten Waschen ist es im Eimer und dann werfen wir es einfach irgendwo hin in eine Tonne. In einen Recycling-Container, in eine Kleiderspenden-Box. Und dann ist es für uns aus dem Sinn und aus dem Blick. Und das ist es ja nicht. Es geht ja weiter mit diesem Stoff, mit diesem Rohstoff. Und dieser Rohstoff ist natürlich qualitativ so minderwertig, dass man den nicht in einen Kreislauf zurückführen kann. Und das müsste man eben in die Preise mit einkalkulieren.
Anja: Wenn wir unsere Großeltern fragen, sagen die Ja klar, ich kauf mir ein Paar Schuhe, das hält drei, vier Jahre lang. Also es ist an manchen Stellen, finde ich in so einer rasanten Phase, ich weiß nicht, ob das in den Neunzigern angefangen hat oder wann da der Peak war. Magnus, wir hatten ja darüber gesprochen, ich bin Jahrgang 79, mein Vater hat einen Bezirksverband der Grünen mit gegründet. Die taz lag zuhause rum. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich ordentlich auf die Finger bekommen habe, wenn ich mich nicht ökologisch verhalten habe. Und manche Themen kommen jetzt wieder hoch, wo ich so denke: Ja, ist klar. Die waren aber wie vergessen. Es gab so eine Phase von 20, 30 Jahren, wo wir bestimmte Dinge schlicht vergessen haben. Und das, das fände ich wirklich spannend zu sehen, wenn ich mich jetzt mit meiner mit meinen Kindern unterhalte, 15 und 17, dann sehe ich das auch schon wieder in einer anderen Tonalität. Also für mich ist es ein bisschen verlorenes Wissen auch wieder nach oben holen und einfache Regeln. Also ich wünsche mir, wenn jetzt wir alle, die gesprochen und vielleicht auch zugehört haben, mit dem im Hinterkopf rausgehen, das man nicht die Welt alleine retten kann und muss, dass wir auch nicht Overthinking machen müssen, um jetzt uns allen zu beweisen, dass wir nachhaltig sind, sondern dass es einfache Maßnahmen gibt und das auch vielleicht als Botschaft nochmal Richtung Unternehmen senden. Das finde ich ein ganz gutes Motto zum Thema nachhaltiger Konsum. Magnus, möchtest du noch etwas hinzufügen? Oder findest du, dass wir jetzt alles gesagt haben?
Magnus: Ich glaube, alles ist nie gesagt, aber genau so können wir wahrscheinlich noch Stunden weiterreden. Ich glaube ich konnte ganz gut nochmal aus meiner Rolle eben auch sprechen und den Verbraucher so ein bisschen vielleicht aus der Verantwortung nehmen und die Unternehmen dafür ein bisschen stärker ansprechen im Sinne von Naja, aber nimmt doch ihr eure Verantwortung auch wahr. Wenn ich das heute ein bisschen erreichen konnte, dann war mir das sehr wichtig. Und das, was du am Ende nochmal meintest mit den Botschaften, mit den einfachen Botschaften, dass trifft da eben auch wieder zu. Also am Ende sind es hochkomplexe Dinge, Entscheidungen, die getroffen werden müssen, Transformationen, die angestoßen werden müssen. Aber der Verbraucher braucht am Schluss wieder einfache Botschaften. Und da geht für mich im Moment auch die Schere gerade weit auseinander. Und dass wär letztlich gar nicht so schwer z.B. auf eine Verpackung aufzudrucken, aus welchen zwei, drei Komponenten besteht die, wie kann ich sie am Ende trennen, wo soll ich sie hinwerfen? Weil selbst da haben wir oft als Verbraucherinnen, dann geht mir das selber meistens so, Fragezeichen in den Augen. Wenn wir nicht mal wissen, ist das jetzt Papier oder Plastik oder beides und wo werfe ich hin. Und damit könnte man innerhalb dieses Packaging-Systems, das ja wie gesagt eine sehr kleine Baustelle ist, aber eine, die man schnell verändern könnte, so viel verbessern, indem man eben transparent ist und authentisch ist als Unternehmen und die Verpackungen dementsprechend dann auch auswählt, egal ob es am Ende Plastik oder Glas oder Papier ist. Das ist dann individuell, aber das Richtige auswählen und dann auch die richtige Information an die Konsumentinnen weitergeben, damit die auch die Chance haben, damit man so einen Umgang mit der Verpackung nachher auch findet, dass es kein Eigentor wird.
Anja: Ja. Wunderbar. Die Stunde ist um. Super spannendes Gespräch. Zu Recht, wir könnten da noch sehr lange weitersprechen. Es ist auch ein Thema, das bei 20blue präsent ist. Über das Research Paper, das wir im März in der dritten Fassung mit dem Schwerpunkt Nachhaltiger Konsum neu veröffentlichen werden in unserem neuen Shop Edition 20blue. Dort könnt ihr heute schon einen kleinen Expert Insight zum Thema nachhaltige Lieferkette lesen und dann auch von Markus und Katharina bald Beiträge. Ich danke euch beiden aus dem Süden, Österreich und Deutschland. Beide Orte kenne ich und ja, freue mich, wenn wir uns vielleicht irgendwann auch mal live sehen. So war es zumindest schon mal ein schöner Schnack am Freitagnachmittag. Jetzt werde ich also meine Fenster abdichten und hoffen, dass alles gut geht, wenn die nächste Welle anrollt und ich wünsche euch auch ein schönes und gesundes Wochenende.